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Wenn nun schon solch eine kleine schlafende Mittagserfrischung solch einen Unterschied macht, mag deutlich werden, welche Energiereserven in einer ganzen langen Nacht liegen. Nur wie kommen wir an sie heran? In meinem Buch „Schlaf – die bessere Hälfte des Lebens" gehe ich diesen Möglichkeiten nach und bin – selbst ein guter und sogar leidenschaftlicher Schläfer – noch auf viele „wunder-volle" Möglichkeiten gestoßen, die Nacht zu einem bleibenden und sogar erhebenden Erlebnis zu machen.
Tatsächlich kann diese archetypisch weibliche Hälfte des Tages (siehe unten: archetypische Pole) uns zur besseren Hälfte des Lebens werden, wenn wir nur anfangen, sie entsprechend zu nutzen. Denn eigentlich sind wir beim Schlafen alle Profis und doch vergeben auch diejenigen, die nicht unter Schlafproblemen leiden, sondern angeblich gut schlafen, in der Regel hier noch ungeahnte Chancen.
Die östlichen Weisheitslehren gehen davon aus, dass eine weit entwickelte Seele die ganze Nacht über bewusst bleibt und während der Körper ruht, zu ihrer eigenen Entwicklung unabhängig vom Körper auf Reisen geht.
Besonders deutlich wird das beim tibetischen Traum-Yoga, aber auch am Anspruch des hinduistischen Yoga-Schlafes. Auch die Hindus gehen davon aus, dass die Seele eigentlich gar kein nächtliches Abschalten braucht, dass das vielmehr lediglich der Unbewusstheit geschuldet sei. Naturgemäß geht es den Menschen des Ostens ja auch ums Erwachen und weniger ums Einschlafen.
Dass wir im Westen inzwischen in solchem Ausmaß Einschlafprobleme entwickelt haben, ist Ausdruck unserer verfahrenen Situation und hat wenig damit zu tun, dass wir dem Erwachen im buddhistischen Sinn näher gekommen wären. Wer sich allabendlich mit Schlafmitteln dopt, wird vielmehr in eine chemisch induzierte Bewusstlosigkeit sinken, als Körper und Seele zu regenerieren. Selbst nach moderner schulmedizinischer Auffassung ist von chemischen Schlafmitteln nur eine Verschlechterung der Situation zu erwarten. Insofern kommt ihre Verschreibung schon einem Kunstfehler gleich, ihre dauerhafte Einnahme führt zu Abhängigkeit und einer Verschlechterung der Lebenschancen – nachts, aber auch am Tag. Statt also auf der Seelenebene bewusst durch die Nacht zu gehen, während der Körper sich in den Tiefschlafphasen erholt, sind wir im Gegenteil inzwischen mehrheitlich so weit (herunter) gekommen, dass viele noch nicht einmal mehr die wenigen Traumphasen der Nacht bewusst erleben. Moderne Menschen und hier besonders stressgeplagte Männer erwachen morgens meist ohne einen einzigen Traum vollständig zu erinnern.
Vom Ziel des spirituellen Weges, dauerhaft für die wirkende Wirklichkeit zu erwachen, entfernen sie sich damit offenbar immer weiter. Die Nacht wird so zu einer Notmaßnahme zum Überleben. Dabei könnte sie eine wundervolle Chance sein, die uns einem bewussten Leben näher bringt – und das auf eine so angenehme und erfrischende Art wie wenig anderes. Wo der Volksmund schon die Ehefrau ebenso mutig wie offensiv als die „bessere Hälfte" einer Beziehung beschreibt, ist die Nacht sicher die bessere Hälfte des Tages. Sie ist für den weiblichen Pol unseres Lebens zuständig, in dem uns – ohne unser bewusstes Dazutun – so viele Möglichkeiten geschenkt werden.