Interview mit Dr. Vinzenz Mansmann, Chefarzt der NaturaMed-Kliniken in Bad Waldsee, der sich auf körperliche und seelische Burn-Out-Behandlung spezialisiert hat.
Mediziner stehen Schlafstörungen allgemein ziemlich hilflos gegenüber. Denn die Ursachen von Schlafstörungen sind sehr vielfältig und oft schwer herauszufinden. Ärzte für Naturheilverfahren und Akupunkturexperten vertreten die Auffassung, dass bestimmte Schlafstörungen durch organische Schäden zu erklären sind. So erwachen viele Menschen mit Durchschlafstörungen zwischen ein und drei Uhr nachts. Nach der Organ-Uhr der chinesischen Akupunktur ist dies die Hauptarbeitszeit der Leber. Wir Naturheilmediziner sind davon überzeugt, dass Durchschlafstörungen, die zwischen ein und drei Uhr nachts auftreten, in irgendeiner Weise mit Störungen des Leberstoffwechsels verbunden sind. Ob das zutrifft, sollte ein naturmedizinisch erfahrener Arzt abklären.
Manche Schlafstörungen erklären sich aber auch schlicht aus den Lebensumständen der Betroffenen. Menschen, die körperliche Schmerzen aushalten müssen, zum Beispiel chronische Kopfschmerzen, nächtliche Wadenkrämpfe oder Gelenkschmerzen wegen eines Rheumaleidens, schlafen verständlicherweise schlecht, und ihre Schlafstörungen hören nur dann auf, wenn die Schmerzen oder deren Ursachen wirksam behandelt werden. Auch das eigene Schnarchen oder kurze Atempausen (Schlafapnoe-Syndrom) und somit Sauerstoffmangel können Schlafende ruckartig wecken.
Oft schaffen sich schlaflose Menschen ihr Problem selbst. Viel zu wenige akzeptieren zum Beispiel die Tatsache, dass jeder von uns seinen individuellen Schlafbedarf und seine individuellen Schlafzeiten hat, und versuchen, ihrem Körper einen unliebsamen Lebensstil aufzuzwingen. Auch ist bekannt, dass Menschen mit beruflich bedingtem unregelmäßigem Lebensrhythmus - Piloten, Fernfahrer oder Schichtarbeiter - oft schlecht schlafen. Während der Wachzeiten sind sie auf Ruhe programmiert und deshalb bei der Arbeit oft unkonzentriert und reizbar. Schichtdienstleistende sollten deshalb nicht länger als drei Nächte hintereinander eingesetzt werden - ein Prinzip, das vielerorts leider nicht befolgt wird.
Bei Einschlafstörungen spielt die Psyche die Hauptrolle: Tagesereignisse oder Zukunftsängste lassen das „Abschalten“ am Abend zum Problem werden. Jeder Mensch benötigt in der Regel 2 Stunden, um zur Ruhe zu kommen. Man kann also nicht bis 22 Uhr unter Hochdruck arbeiten und dann eine halbe Stunde später ins Bett gehen. Außerdem sind natürlich spannende Fernsehfilme und Katastrophenmeldungen nicht gerade geeignet, das Einschlafen zu fördern. Aber viele haben heutzutage 50 Fernsehprogramme zur Verfügung, man muss nur nach einem entsprechend lockeren Programm suchen – und zwar nicht mit nervenaufreibendem Durchzappen, sondern durch Studieren einer guten Fernsehprogrammzeitschrift.
Außerdem möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass Durchschlafstörungen oft leberbedingt sind. Erfolgt also die Eigentherapie von Einschlafstörungen mit größeren Mengen Alkohol, so zieht man sich als „Nebenwirkung“ eine verstärkte leberbedingte Durchschlafstörung zu.
Wer an Schlafstörungen leidet, ohne dass eine organische Ursache festgestellt werden kann, sollte versuchen, seine Nachtruhe mit natürlichen Methoden wiederzuerlangen. Als ersten Schritt dabei empfehle ich den Betroffenen ihr Problem unter bestimmten Gesichtspunkten neu zu überdenken. Ältere Menschen müssen zum Beispiel wissen, dass sich die Tiefschlafphasen mit zunehmendem Alter verkürzen und aus dem ehemals festen Schlaf mehr und mehr ein sanfter Schlummer wird. Wenn Senioren über zu leichten Schlaf klagen, muss das also in gewissem Umfang als normale Alterserscheinung akzeptiert werden. Geeignete Gegenmaßnahmen wären hier nicht etwa Schlaftabletten, sondern eine bessere Lärmabschirmung, zum Beispiel, indem das Bett, wenn möglich, in ein Zimmer gestellt wird, das nicht an der Straße liegt. Außerdem sollten beim Hausarzt die chemischen Medikamente überprüft werden. Sie machen bei Senioren oft in Summe (meist 5 bis 7 Stück) so viel Leberbelastung, dass sie dadurch allein schon als Verursacher der Durchschlafstörungen in Frage kommen.
Tatsache ist, dass der objektive Schlafverlauf mit unserer subjektiven Beurteilung keineswegs übereinstimmen muss. Die Wachperioden in der Nacht werden oft überbewertet. Diejenigen, die angeblich "die ganze Nacht kein Auge zutun", kommen bei objektiver Prüfung des Sachverhaltes meist sehr wohl auf eine ausreichende Schlafzeit - wenn auch mit kurzen Unterbrechungen. Man kann seinem Körper ruhig vertrauen, dass er sich das notwendige Maß an Schlaf holt, ob portionsweise oder am Stück.
Trotz der vielen Möglichkeiten, durch Änderung der Lebensweise Schlafstörungen zu beheben, gehen viele Menschen das Problem von vornherein mit Tabletten an. Wenn mit Hilfe von Medikamenten die Ursachen der Schlafstörungen behandelt werden, ist dies zweifellos sinnvoll, zum Beispiel bei Epilepsien oder Depressionen. Die üblichen Schlafmittel jedoch greifen nicht an der Ursache der Schlafstörung an, und können daher nicht zu natürlichem Schlaf verhelfen. Im Gegenteil: Schlafmittel - so weiß man aus Untersuchungen - stören den Schlafverlauf erheblich, vor allem wenn sie unmittelbar vor dem Zubettgehen eingenommen werden. Schlaf- und Traumphasen geraten vollkommen durcheinander, die Erholung bleibt aus, und beim Aufwachen haben viele das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben. Folge ist, dass immer höhere Dosen benötigt werden, was dann auf Dauer zur Abhängigkeit führen kann.
Übrigens: Pflanzliche Beruhigungstabletten wie Baldrian, Besenginster oder Johanniskraut fördern das Abschalten und zur Ruhe kommen und sollten gegen Einschlafprobleme zwischen 19.00 Uhr und 21.00 Uhr eingenommen werden. Echte Schlaftabletten, die müde machen, nimmt man direkt vor dem Schlafen ein.
Bei Durchschlafstörungen kann man z.B. Hartkäse-Extrakt (Ardeydorm ® u.ä.) oder Homöopathie (z.B. Arsen album D30 Glob.) probieren, bevor man zur Chemie greift. Echte Schlaftabletten sollten vom Arzt nur nach ausführlicher Befragung verordnet werden, denn oft braucht man keine „Betäubungsmittel“ sondern eher leichte „Angstlöser“, die gar nicht müde machen.
Nach meiner Erfahrung sind die weitaus meisten Schlafstörungen mit recht einfachen Mitteln zu beheben. Grundsätzlich muss beherzigt werden, dass guter Schlaf - wie auch ein Tennis- oder Fußballspiel - an gewisse Regeln gebunden ist:
Liegt man trotz alledem nachts wieder einmal wach, gibt es bewährte Maßnahmen zur "Ersten Hilfe". Anstatt sich quälend hin und her zu wälzen oder zur Schlaftablette zu greifen, steht man besser wieder auf, isst einen kleinen Happen (am besten Hartkäse) und beschäftigt sich - am besten mit langweiligen Dingen, die man immer wieder aufgeschoben hat: Briefe schreiben, bügeln, Fotos einkleben. Nach etwa einer halben Stunde geht man wieder ins Bett. Will der Schlaf immer noch nicht kommen, steht man einfach wieder auf. Diese Methode erfordert natürlich etwas Geduld, führt aber mit der Zeit in vielen Fällen zum Erfolg.
Wer lieber im Bett bleibt, sollte einen einfachen Trick ausprobieren: Von 200 an rückwärts zählen, immer kombiniert mit einem Atemzug. Während man sich auf das Zählen konzentriert, ist kein Platz mehr im Kopf für andere Gedanken. Der Betreffende beruhigt sich bald und schläft ein - lange bevor der Countdown die Null erreicht.
Übrigens: Probieren Sie noch einen Trick aus: Verändern Sie den Atemrhythmus, indem Sie normal einatmen, sofort ausatmen und dann eine lange Pause machen, bevor Sie wieder einatmen. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass man in der Pause nach dem Ausatmen einschläft, während man durch Verlängerung der Pause nach dem Einatmen sich mit Sauerstoff aufputscht und wach hält.
Auch die so genannte "Ganzkörperwaschung" ist eine bewährte Methode gegen Schlafstörungen und sollte am besten mehrmals täglich vorgenommen werden:
Man nimmt zunächst eine Schüssel mit lauwarmem Wasser, im Laufe der Waschung dann kälteres. Ein Waschhandschuh wird eingetaucht, nur leicht ausgewrungen und so über die Haut geführt, dass ein Wasserfilm verbleibt.
Man beginnt bei der rechten Hand, fährt am Arm erst außen entlang bis zu den Achselhöhlen, dann auf der Innenseite wieder zurück. Das gleiche wird am linken Arm wiederholt. Anschließend werden Hals, Brust, Bauch und Rücken gewaschen. Danach geht man zum rechten Bein über, beginnend am Fußrücken erst außen, dann vorn und schließlich innen bis zum Gesäß und wieder abwärts. Ebenso verfährt man beim linken Bein. Zum Schluss werden die rechte und linke Fußsohle gewaschen. Wichtig danach: Nicht abtrocknen sondern gleich ankleiden und - um die Wiedererwärmung zu unterstützen - aktiv bewegen oder gut zugedeckt 30 bis 60 Minuten ins Bett legen. Die Ganzkörperwaschung kann nicht nur zu besserem Schlaf verhelfen, sie hat außerdem eine durchblutungsfördernde, herzentlastende, das vegetative Nervensystem stabilisierende und abhärtende Wirkung.
Wichtiger Hinweis:
Diese Inhalte dienen der Information und Orientierung. Sie können und sollen unter keinen Umständen den Besuch eines Arztes und die Konsultation medizinischer Beratung oder professioneller ärztlicher Behandlung ersetzen.
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