Die Wasserreize werden meist nach einem bestimmten ansteigenden Reizschema und genau dosiert verabreicht (siehe Tab. 1 und 2).
Tab. 1: Temperaturbereiche bei Kneippanwendungen
Wassertemperatur | Temperatur in °C |
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kalt | 0-18°C |
temperiert | 19-22°C |
kühl | 23-28°C |
indifferent | 32-35°C |
warm | 36-38°C |
heiß | ab 39°C |
Erträglichkeitsgrenze | ca. 43°C |
Tab. 2 Die Reizstärken von Kneipp-Wasseranwendungen
Anwendung | Dauer | Temperatur |
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Reizstärke I (schwache Reize) | | |
Teilwaschungen (Ober-, Unterkörper) | Wenige Sekunden | |
Teilbäder (Arm-, Fuß-, Sitzbad) | 5-10 min (Warmanteil) | 37°C |
Wechselteilbäder (Arm-, Fußbäder) | 5–15 min (Warmanteil) 5-6 sec (Kaltanteil- kurz!) | 36°C 10°C |
Kleine Güsse (Knie-, Arm-Güsse) | 5 min | 18-22°C |
Anwendung | Dauer | Temperatur |
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Reizstärke II (mittlere Reize) | | |
Ganzwaschungen | | |
Trockenbürsten | | |
Wassertreten | | |
Halbbad kalt | wenige max.10-60 sec | 12-18°C |
Halbbad warm mit kalter Abgießung | 10-15 min | 37°C, kalte Abgießung 12-18°C |
Wechselgüsse (Knie-, Schenkel-, Arm-, verlängerter Arm-, Brust-, Ober-, Rückengüsse) | 5-15 min warm bis zur guten Durchwärmung, kalt bis ca. 15 sec | 37°C, kalte Abgießung 12°C |
Waden- und Armwickel | | 12-18°C |
Anwendung | Dauer | Temperatur |
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Reizstärke III (starke Reize) | | |
kalte Güsse (Unter-, Ober-, Vollgüsse) auch Abguss nach Sauna | | 12-14°C |
temperaturansteigende Güsse im Bereich des Nackens und der Lendenwirbelsäule | | 34-42°C (langsam temperaturansteigend) |
heiße Blitzgüsse | wenige Minuten bis eine Rötung der Haut eintritt | 40-43°C |
Dreiviertel-, Vollbäder | 10-15 min | 37°C mit kalter Abgießung bei 12°C |
temperaturansteigende Teilbäder (Arm-, Fuß-, Sitzbäder) | in 10-15 min | 33-39°C |
Wechselsitzbad | 10-15 min warm, 5-6 sec kalt | 37°C / 12°C |
Größere Wickel (Lenden-, Kurz-, Brust-, Ganzwickel) | | |
Heusäcke | | |
Leibauflagen | | |
Die Anwendungen folgen dabei dem Prinzip: So warm/heiß und lange wie nötig, so kühl/kalt wie möglich.
Dabei ist selbst beim kalten Wasser nicht die Kälteentwicklung das Ziel, sondern immer das Erreichen körpereigener Wärme bzw. die Regulierung im Wärmehaushalt. Das ist z.B. bei rheumatischen Krankheiten, niedrigem Blutdruck oder Infektanfälligkeit wichtig. In Hinsicht auf die Reizstärke ist auch hier die Arndt-Schulz-Regel zu beachten:
- Zu kleine Reize schwächen.
- Kleine schwache Reize entfachen die Lebensfunktionen.
- Gut dosierte mittlere Reize kräftigen/fördern.
- Übergroße Reize schaden.
Warmes Wasser hat primär eine beruhigende, vagotonisierende, d.h. den Vagus (= Ruhenerv) stärkendeund entsäuernde Wirkung (z.B. warmes Wannenbad). Bei Übertreibung (zu hohe Temperatur oder zur lange Badedauer) kann es jedoch auch den gegenteiligen Effekt bewirken (Aufgeregtheit, Nervosität, Schlaflosigkeit, v.a. bei niedrigem Blutdruck mit Blutdruckabfall bei Übergang vom Liegen zum Stehen (orthostatische Regulationsstörung. Befindet sich der Körper in einem wenig belastbaren oder unterkühlten Zustand, so werden meist Wechselanwendungen (Teilbäder) gewählt.
Die Prinzipien der Wasserkur nach Pfarrer Kneipp
Die Grundprinzipien der hydrotherapeutischen Kneippanwendungen und die Voraussetzungen für eine positive Reaktion bzw. Regulation sind:
- Akute Krankheitsprozesse erfordern eher Kaltreize, chronische Krankheitsprozesse eher Warm- und schonende Wechselreize.
- Wohlbefinden ist wichtigster Parameter nach einer richtig dosierten Wasseranwendung (Ein Gegenbeispiel für eine Fehlreaktion wäre Herzklopfen nach einem Vollbad bei niedrigem Blutdruck; Kältegefühl, Frieren, Frösteln, marmorierte Haut nach einer Kaltanwendung).
- Jeglicher Kaltreiz darf nur am warmen Körper und auf warmer Haut verabreicht werden (ggf. Vorerwärmung durch aktive Bewegung oder passiv durch warmes Wasser oder warme Luft z.B. in der Sauna).
- Nach jeder Anwendung ist die Wiedererwärmung wichtig. Die Wiedererwärmung wird aktiv durch Bewegung nach kleineren Kneippanwendungen (Reizstärke I) bzw. passiv durch Bettwärme (Nachruhe) nach stärker wirkenden Kneippanwendungen (Reizstärke II-III) erreicht.
- Eine Kneippanwendung sollte nie unmittelbar vor oder nach den Mahlzeiten erfolgen! Der Zeitabstand sollte mindestens eine halbe Stunde betragen!
- Auch mehrere Kneipp-Anwendung erfordern einen zeitlichen Zwischenabstand damit der Körper auf den Reiz positiv reagieren zu kann
Je weiter die Temperatur des verwendeten Wassers von der Körpertemperatur (ca. 37°C) nach oben oder unten abweicht, je größer die behandelte Haut-/Körperoberfläche und je länger die Anwendungsdauer ist, desto stärker ist der zu verarbeitende Reiz für den Organismus. Auch die gewählte Tageszeit spielt wegen der wechselnden Körpertemperatur eine Rolle (Tab. 3).
Tab. 3: Wahl der richtigen Tageszeit für die jeweiligen Kneippanwendungen
bevorzugte Zeit | Anwendung |
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morgens / früh | z.B. Ganzwaschung, Wickel, Heusack |
Vormittag / später Vormittag | Güsse / Bäder |
früher Nachmittag | Teilbäder (z.B. an Arm, Fuß) |
später Nachmittag | Ggf. Schwimmen |
Die körperliche und geistig-seelische Konstitution ist bei der Stärke den Kneippanwendungen ebenfalls zu berücksichtigen:
- Schlanke, zierliche Menschen („Astheniker“) sind meist stärker wärmebedürftig. Hier werden Teilbäder und kürzere kleinere temperierte Anwendungen bevorzugt (z.B. Wechselarm-, Fußbad, Wechselarm-, Knieguss; beim Wechselbad jeweils 2-mal von warm nach kalt wechseln
- Menschen mit einem kräftigen, muskelbetonten und leicht untersetzten Körperbau („Athletiker“) sind häufig kälte- oder wärmesensibler als erwartet. Hier werden meist temperierte Anwendungen ohne extremen Warm- oder Kaltreiz gut vertragen.
- Rundlich gebaute Pykniker und zu „Blutstau“ neigende Plethorikerertragen meist kräftige, größere Kaltanwendungen. Häufig verlangen sie intuitiv danach (Beinwickel, Wechselschenkel-, Unterguss, Leib-/ Kurzwickel).
Bei den Kneippanwendungen sind folgende Grundsätze einzuhalten:
- Begonnen wird immer mit der mildesten Anwendung, die gerade noch zur gewünschten Reaktion führt.
- Ziel ist eine gleichmäßige milde Rötung als Zeichen einer Mehrdurchblutung (Gefäßerweiterung und Histaminausschüttung).
- Länger dauernde Blässe oder bläulich-fleckige Verfärbung/Marmorierung der Haut sind unerwünschte Fehlreaktionen.