Corona-Impfung bei Kindern und Jugendlichen Interview mit Dr. Jost Deerberg, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin

Nachdem bereits viele ältere Menschen geimpft sind und die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den Impfstoff von BioNTech/Pfizer ab 12 Jahren zugelassen hat, stellt sich für die junge Generation die Frage, ob sie sich gegen COVID-19 impfen lassen soll. Gleichzeitig sind einzelne Impfstoffe immer wieder wegen ihrer Nebenwirkungen in den Schlagzeilen. Im Interview mit Dr. Jost Deerberg, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Hamburg und Mitglied des Vorstands Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V., wollen wir die wichtigsten Informationen zu diesen Themen bereitstellen und somit den Weg für eine individuell angemessene Impfentscheidung eröffnen.

Herr Dr. Deerberg, wie gefährlich ist COVID-19 eigentlich?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass eine Covid-19-Erkrankung vor allem bei Menschen über 70 Jahren und Hochbetagten gefährlich wird und ebenso bei Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, z. B. starkes Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden, Rauchen, Asthma, chronische Bronchitis, geschwächtes Immunsystem (z. B. im Rahmen von Krebs, einer Autoimmunerkrankung oder nach einer Organtransplantation). Die Verläufe sind sehr unterschiedlich – das Spektrum reicht von „völlig harmlos“ und „fast symptomlos“ bis zu „schwere Atemnot“ oder gar „intensivmedizin-pflichtig“. Wenn man das Infektionsgeschehen jedoch im Großen und Ganzen betrachtet, so kann man sagen, dass 85 Prozent der Bevölkerung einen leichten bis mittelschweren Verlauf hat, wenn sie sich mit SARS-CoV-2 infizieren, und nur 15 Prozent einen schweren Verlauf. Vor dem aber fürchten sich natürlich alle, und er ist auch nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Ich selbst bin ja Kinder- und Jugendarzt – ich habe in meiner Praxis noch nicht ein einziges an Covid-19 erkranktes Kind gesehen. Ein paar positiv getestete Kinder gab es schon, sie waren aber von den Symptomen her meist unauffällig. Was ich vor allem erlebe, sind Kinder und Jugendliche, die unter den Maßnahmen leiden, die gegen die Ausbreitung des Virus verhängt worden sind. Aber natürlich ist meine Praxis nur ein kleiner Ausschnitt des Gesamtgeschehens. Mit allem, was wir heute wissen, lässt sich ganz klar sagen: Für Kinder und Jugendliche ist SARS-CoV-2 kein Thema. Sie haben leichte Verläufe oder gar keine Beschwerden. „Long-Covid“ kommt bei ihnen kaum vor.

Was ist das Prinzip der Impfungen gegen Covid-19?

Wir haben es mit einem völlig neuen Impfprinzip zu tun – eigentlich sogar mit zwei neuen Impfprinzipien. Bisher kennen wir Lebendimpfstoffe und Totimpfstoffe. Jetzt gibt es mRNA- und Virusvektor-Impfstoffe.

Bei den mRNA-Impfstoffen wird nicht – wie bisher – das Antigen verimpft, sondern der Bauplan dafür. Der Organismus soll dann selbst die Antikörper bilden. Die industrielle Herstellung dieser Impfstoffe ist viel einfacher und schneller als die der Antigen-haltigen konventionellen Impfstoffe. Allerdings sind sie sehr viel instabiler und brauchen deshalb Transporthüllen, damit sie nicht deaktiviert werden. Solche Transporter sind z. B. fetthaltige Nanopartikel, über deren Wirkungen wir bisher noch sehr wenig wissen.

Auch mit den Vektor-Impfstoffen wird der Bauplan für die Antikörper-Bildung verimpft, in diesem Fall in der Hülle eines anderen Virus (meist sind es Adenoviren). Der Geimpfte baut dann Antikörper gegen das Coronavirus-Spikeprotein auf, aber zugleich auch gegen die transportierenden Adenoviren. Und das kann vor allem bei jungen Menschen problematisch werden: Eine zweite Impfung mit einem Vektor-Impfstoff gegen eine andere Krankheit ist dann nicht mehr möglich, weil die Adenoviren sofort vernichtet würden und die von ihnen transportierte mRNA nicht mehr wirksam werden kann.

Bei beiden neuen Wirkprinzipien ist es also so, dass wir dem Impfling eine Information spritzen, die ihn dazu veranlasst, das Spike-Protein des Virus selbst herzustellen. Der Körper bildet das Antigen selbst, das wir sonst in den Tot-Impfstoffen direkt verspritzen, und er bildet in der Folge davon Antikörper, die sich nach einem Schlüssel-Schloss-Prinzip dieser Antigene annehmen und sie beiseiteschaffen. Wenn der Körper dann mit dem Wildvirus in Kontakt kommt, ist er in der Lage, das Virus abzuwehren, bevor es sich stark vermehrt und die Krankheit auslöst.

Wem empfehlen Sie eine Impfung?

Wir vom Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung sprechen keine generelle Empfehlung aus, weil die Entscheidung dafür oder dagegen immer von vielen Faktoren abhängig ist. Allgemeine Empfehlungen kommen eher von der Bundesregierung, dem Robert-Koch-Institut und dort von der Ständigen Impfkommission (STIKO). Wir versuchen in unseren Impfberatungen, die Menschen entscheidungsfähig zu machen. Das heißt, wir informieren über das Impfprinzip, über die bisherigen Erfahrungen damit, über die Vor- und die Nachteile. Auf dieser Grundlage kann dann jede und jeder für sich entscheiden. Ein solcher „informed consent“ ist der internationale Standard für jede Einwilligung in einen medizinischen Eingriff – und auch eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Wir impfen ja normalerweise Gesunde. Aber Impfungen sind die einzigen Maßnahmen in der Medizin, für die es keiner schriftlichen Einwilligung bedarf, weil man davon ausgeht, dass Impfungen per se gut sind. Unser Verein vertritt aber die Auffassung, dass es auch für eine Impfung einen „informed consent“ geben muss.

„Wir wollen die Menschen entscheidungsfähig machen“

Dr. Jost Deerberg

Was weiß man bisher zu den Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung?

Wie viel man über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) weiß – nennen wir sie hier vereinfacht Nebenwirkungen –, hängt entscheidend davon ab, wie häufig und korrekt sie gemeldet werden. Das setzt voraus, dass ein:e Impfärzt:in daran denkt, dass es sich bei Beschwerden, die in zeitlicher Nähe zu einer Impfung auftreten, um deren Nebenwirkungen handeln könnte und sie an das Paul-Ehrlich-Institut meldet. Dort werden alle unerwünschten Wirkungen, die im Zusammenhang mit Arzneimitteln auftreten, gesammelt. Gleichermaßen muss die/der Geimpfte daran denken, dass es sich um eine solche Nebenwirkung handeln könnte, und sie ihrer Ärztin oder ihrem Arzt melden. Neuerdings kann man das auch selbst im Internet tun (siehe Kasten).

Das große Problem ist, dass ca. 90 bis 95 Prozent der Nebenwirkungen nicht gemeldet werden. Das heißt, die Dunkelziffer ist sehr hoch. Uns fehlen Daten, die wir eigentlich bräuchten, um den Nutzen von Impfungen wirklich bewerten zu können.

Ein weiterer Faktor ist, dass sich viele unerwünschte Wirkungen erst zeigen, wenn ein Medikament bzw. ein Impfstoff an einer großen Zahl von Proband:innen angewendet wurde. Das drastischste Beispiel dafür sind die Sinusvenenthrombosen, die nach der Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca aufgetreten sind. Das ist eine seltene Nebenwirkung (unter 200.000 Impfungen kommt sie durchschnittlich einmal vor), die aber deshalb sehr relevant ist, weil sie lebensbedrohlich ist und nicht wenige Menschen daran gestorben sind. Und das waren vorher gesunde Menschen!

Genau das gilt es abzuwägen: Wie hoch ist das Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Erkrankung, und wie hoch ist das Risiko der Impfung? Und ein gewisses Restrisiko bleibt immer – Sinusvenenthrombosen lassen sich nicht vorhersehen.

Die Corona-Impfstoffe haben eine bedingte Zulassung erhalten. Was bedeutet das?

Normalerweise dauert die Entwicklung eines Impfstoffes zwischen 10 und 15 Jahren und durchläuft drei Phasen, die jetzt aufgrund des Zeitdrucks durch die Pandemie drastisch verkürzt und ineinandergeschoben – „teleskopiert“ – wurden. Deshalb hat die Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) die Zulassung nur unter der Auflage erteilt, dass weitere Daten gesammelt werden.

Die Wirksamkeit des Impfstoffes muss noch besser belegt und seine Sicherheit bewiesen werden. Was die Wirksamkeit betrifft, sagen die meisten Hersteller, dass die Impfung vor einer schweren oder einer tödlich verlaufenden Covid-19-Erkrankung schützen kann. Sie sagen aber z. B. nicht, dass damit eine Herdimmunität aufgebaut werden kann. Aus Sicht des RKI ist eine Herdenimmunität aber die Voraussetzung für die Zurücknahme der Corona-Maßnahmen. Das RKI nimmt an, dass eine solche Herdenimmunität vorliegt, wenn 70 Prozent der Menschen geimpft sind. Dann sollen die Geimpften auch die Nichtgeimpften vor einer Ansteckung schützen. Das das über die Impfung gelingt, ist aber in keiner Weise erwiesen, und es wird auch vermutlich nicht gelingen.

Der Hauptvorteil der Impfung besteht darin, dass sie bei einem großen Teil der Geimpften schwere und tödliche Verläufe verhindern kann – nicht bei 100 Prozent, aber doch bei weit über 90 Prozent.

Können Geimpfte noch andere Menschen anstecken?

In den Studien, in denen die Wirksamkeit am besten untersucht wurde, zeigt sich, dass das Risiko für die Weitergabe des Virus‘ um maximal 50 Prozent gesenkt werden kann. Das heißt: Auch Geimpfte können das Virus weiterverbreiten. Schon das zeigt, dass es kaum möglich sein wird, mit der Impfung eine Herdenimmunität aufzubauen. Jeder Impfling schützt in erster Linie sich selbst, andere nur bedingt.

Was bedeutet „individuelle Impfentscheidung“ für Sie konkret?

In unserem Leitbild heißt es: „Impfungen sind vorbeugende Maßnahmen an gesunden Menschen, sie müssen daher grundsätzlich höheren Anforderungen an Wirksamkeit und Sicherheit genügen als z.B. therapeutische Medikamente, bei denen ein bestehender Leidensdruck unter Umständen gewisse Behandlungs-Risiken rechtfertigen kann.“ Das sollte jeder Einzelne auch im Hinblick auf eine Impfung gegen Covid-19 abwägen. Wir müssen jeden Menschen individuell betrachten, seinen Gesundheitszustand berücksichtigen, seine Lebensumstände, sein soziales Umfeld, seine Vorerkrankungen, und daran sein Risikoprofil ermitteln. Die Situation ist bei einem 80-Jährigen eine gänzlich andere als bei einem 35-Jährigen oder gar bei einem Kind. Deshalb halten wir jede pauschale Empfehlung für falsch. Wir müssen darüber hinaus besonders hohe Ansprüche an die Sicherheit dieser Impfstoffe stellen, und ebenso an ihre Wirksamkeit. Jede Entscheidung bewegt sich immer in dem Spannungsfeld zwischen dem individuellen Erkrankungsrisiko und dem Risiko der Impfung.

Vor kurzem forderte der Deutsche Ärztetag, Kinder und Jugendliche verstärkt zu impfen. Was halten Sie davon?

Nichts. Deshalb haben wir ja auch die sehr erfolgreiche Social-Media-Aktion #nichtmeinaerztetag ins Leben gerufen. Kinder und Jugendliche haben generell ein minimales Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken. „Long-Covid“ gibt es bei ihnen so gut wie nicht. Zumindest zeigen das die bisherigen Erfahrungen. Selbst die selten vorkommende Komplikation eines „PIMS“ – ausgeschrieben heißt das „pädiatrisches inflammatorisches Multiorgan-Syndrom“, also eine Entzündung mehrerer Organe – bildet sich nach einigen Monaten komplett zurück und hinterlässt keine Schäden. Warum also sollten wir Kinder und Jugendliche einer Impfung aussetzen, über deren Langzeitfolgen wir nichts wissen? Die möglicherweise das Immunsystem verändert und beeinträchtigt, was wir ebenfalls noch in keiner Weise abschätzen können. Das muss man ernst nehmen. Impfungen, noch dazu mit so unbekannten, neuen Impfstoffen, sind „keine Lakritzbonbons“, da sind wir uns mit dem STIKO-Vorsitzenden Thomas Mertens absolut einig!

Hinzu kommt, dass Kinder keine „Virusschleudern“ sind, wie es immer mal wieder gerne behauptet wird, und Schulen sind keine Brutstätten für Covid-19-Erkrankungen. Im Gegenteil! Weshalb wir ebenso wie viele andere Fachverbände immer gefordert haben, dass die Schulen offen bleiben. Denn die Schäden, die das Homeschooling und der Wechselunterricht anrichten, sind bei weitem größer als die Gefahr einer Covid-19-Erkrankung.

Und noch ein Aspekt ist wesentlich: Wir haben beobachtet, dass geimpfte Menschen immunologisch nicht mehr so gut auf Virus-Varianten reagieren. Ein gutes Beispiel ist Israel, das ja bisher am meisten geimpft hat. Hier sind aktuell 60 Prozent der Bevölkerung geimpft. Es zeigte sich, dass die jetzt geimpften Menschen ein achtfach erhöhtes Risiko haben, an der südafrikanischen Mutation zu erkranken. Das ist erklärbar: Wenn man die Infektion mit dem Wildvirus als Krankheit durchmacht, bildet man nicht nur Antikörper gegen das Spike-Protein, sondern auch gegen verschiedene andere Oberflächen-Anteile dieses Virus. Wenn wir aber das Immunsystem über die Impfung nur auf das Spike-Protein getriggert haben, ist es nicht mehr so leicht in der Lage, gegen andere Strukturen eines mutierten Corona-Virus gut und nachhaltig zu reagieren. Dann besteht ein sogar höheres Risiko zu erkranken – es sei denn, man impft nach.

Wenn wir also bei Kindern und Jugendlichen, die mindestens noch 60 bis 80 Jahre Leben vor sich haben, eine immunologische Situation schaffen, in der sie weniger gut auf Corona-Mutationen reagieren können, dann ist das bedenklich. Wir halten es sogar für so bedenklich, dass wir sagen: Wenn wir alle Risiken und Vorteile gegeneinander abwägen, ist es nicht sinnvoll, Kinder und Jugendliche zu impfen. Und wir wollen keinesfalls, dass die Teilhabe am sozialen oder gesellschaftlichen Leben von einer Impfung abhängig gemacht wird – weder bei Kindern noch bei Jugendlichen oder Erwachsenen. In unseren Positionspapieren bringen wir das ganz klar zum Ausdruck. Und das gilt für alle Impfungen – nicht nur für die gegen Covid-19.

Die STIKO hat inzwischen eine Empfehlung ausgesprochen, nur Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen impfen zu lassen. Schließen Sie sich dem an?

Ja, das kann man durchaus so vertreten, und unser Verein begrüßt es sehr, dass die STIKO hier standhaft geblieben ist. Wissenschaftlich wäre auch nichts anderes vertretbar gewesen. Es spricht für sich, dass sich Politiker wie der Bundesgesundheitsminister oder auch Karl Lauterbach über diese STIKO-Empfehlung hinwegsetzen und Eltern und Jugendliche trotzdem auffordern, sich impfen zu lassen. Mehr noch: Vielerorts wird schon davon gesprochen, dass ein regulärer Unterricht im Herbst nur möglich sei, wenn die Kinder geimpft sind. Das lehnen wir ab.

In der öffentlichen Darstellung gibt es zwei Tendenzen: die eine, dass man das Virus ausrotten muss, und die andere, dass man mit ihm leben lernen muss. Zu welcher neigen Sie?

Ich halte nichts von der „Zero-Covid“-Strategie. Ganz einfach, weil sie völlig unrealistisch ist. Das Virus wird nicht auszurotten sein. Das ist uns bei den Viren bisher nur mit dem Pockenvirus gelungen. Wir werden mit SARS-CoV-2 leben lernen müssen – wie mit anderen Infektionskrankheiten auch. Als Kinder- und Jugendarzt beobachte ich – und damit stehe ich ja nicht alleine! –, dass nicht alle, die mit dem Virus in Kontakt kommen, sich auch infizieren. Schon in meinem persönlichen Umfeld gibt es Familien, in denen einzelne an COVID-19 erkranken, die anderen Familienmitglieder aber gesund bleiben. Es braucht ganz offensichtlich neben dem Erreger noch die Bereitschaft, sich infizieren zu lassen. Das weiß man allerdings schon seit 150 Jahren, das ist nichts Neues.

Was empfehlen Sie Menschen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen oder können?

Für sie – und für die Gesellschaft generell – ist es wichtig, nicht nur auf die Krankheit zu schauen und darauf, wie diese entsteht. Die „Zero-Covid“-Strategie hängt ja auch damit zusammen, dass man tunnelartig nur auf das Virus schaut, aber weniger auf die Bedingungen, die es ihm leicht machen, sich zu verbreiten. Und da gibt es viele Faktoren, die dazu beigetragen haben. Wenn man das Problem global betrachtet, so sind das vor allem die Massentierhaltung, die industrialisierte Landwirtschaft, der Klimawandel und die ihm zugrundeliegende Zerstörung unserer Umwelt, um nur die wichtigsten zu nennen. Wenn wir auf uns selbst schauen, so können wir einiges dafür tun, um es dem Virus so schwer wie möglich zu machen, sich in unserem Körper auszubreiten. Die Salutogenese, also die Frage nach den Quellen der Gesundheit, ist in den vergangenen 50 Jahren ein neuer Forschungszweig in der Medizin geworden. Und es lässt sich inzwischen ganz klar belegen, dass die innere Haltung, die Gestimmtheit eines Menschen, eben auch dazu beiträgt, Resilienz und Abwehrkräfte zu entwickeln. Wenn jemand seelische Verletzungen erleiden musste, ist das ein kränkender Faktor, der die Abwehr schwächt, wohingegen Lebensfreude und Glück immunstimulierend wirken. Auch chronischer Stress, anhaltende Überlastung und das Gefühl, das Leben nicht gestalten zu können, einem unabwendbaren Schicksal ohnmächtig ausgeliefert zu sein, führt zu einer erhöhten Infektiosität.

Deshalb ist das von der Regierung ständig auf einem hohen Level gehaltene Stress durch Angstmache so abträglich und schwächt die Bevölkerung auch in der körpereigenen Abwehr. Generell ist es so, dass diese Art des paternalistischen Umgangs mit uns Menschen – also das „Wir wissen was für Euch gut ist“ einem fraternalistischen Ansatz weichen muss, einer „Geschwisterlichkeit“, die den anderen als gleichberechtigtes Gegenüber betrachtet und ihm auf Augenhöhe begegnet. Das versuche ich auch in meiner Praxis umzusetzen und zu leben.

Dieser Ansatz ist im Übrigen auch der evidenzbasierten Medizin eigen. Sie fußt auf drei Säulen: der Studienlage, der klinischen Erfahrung des Arztes und dem Patientenwillen. Viel zu oft wird allein auf die Studienlage geschaut. Aber erst die zweite Säule, das ärztliche Know-how, setzt um, was klinische Studien nahelegen. Die dritte Säule, die Präferenz der Patient:innen, wird meist ganz außer Acht gelassen. Aber erst aus diesem Dreiklang ergibt sich eine Humanmedizin, wie sie eigentlich sein sollte, und wie sie der Begründer der evidenzbasierten Medizin, David Sackett, auch intendiert hat.

Welche Maßnahmen können denn sonst noch dazu beitragen, das Immunsystem zu stärken und damit dann auch dem Virus das Leben schwer zu machen?

Studien zeigen, dass vor allem der Lebensstil dazu beiträgt, nicht krank zu werden und lange zu leben:

  1. Nicht rauchen.
  2. Sich gesund ernähren – mit wenig Fleisch, vollwertigen Produkten und fünf Portionen Obst oder Gemüse täglich.
  3. Sich regelmäßig bewegen – schon ein Spaziergang von einer halben Stunde an drei Tagen die Woche reicht aus, noch besser ist es, regelmäßig Sport zu treiben – und zwar ohne großen Ehrgeiz, vielmehr aus Freude an der Bewegung.
  4. Alkohol in Maßen genießen, nicht in Massen.
  5. Das Leben rhythmisch gliedern.
  6. Für ein gutes Maß an Spannung und Entspannung sorgen – einen stressreichen Alltag mit Phasen der Muße ausgleichen.

Schon allein dadurch lässt sich das Leben um durchschnittlich 10 bis 17 Jahre verlängern. Und ein solcher Lebensstil ist auch sinnvoll, wenn es darum geht, einer Covid-19-Erkrankung vorzubeugen. Es ist keine Garantie dafür, dass man dann nicht krank wird, aber sie trägt doch dazu bei, möglichst gesund zu bleiben.

Können Sie auch etwas speziell für Kinder & Jugendliche empfehlen?

Da ist die Situation ähnlich, aber die Gewichte verschieben sich noch etwas. Alles was dazu beiträgt, dass Kinder in einem guten Umfeld mit möglichst wenig Stress aufwachsen können, stärkt sie körperlich und seelisch. Konkret heißt das: einen guten Alltags-Rhythmus zu leben, regelmäßige Mahlzeiten einzunehmen und mit den Kindern in einer guten Beziehung zu stehen. Das ist umso wichtiger, wenn die Eltern getrennt leben. Bei uns in Hamburg lebt jedes zweite Kind in einer geschiedenen Familie. Das verursacht oft viel Stress. Und wir müssen darauf achten, dass die Kinder nicht so unter der Trennung der Eltern leiden, ich nenne das die „Humanisierung“ der Scheidung.

Bei Kindern und Jugendlichen ist die Bewegung aber sicher mit am wichtigsten. Sie müssen raus an die frische Luft, sich austoben und abreagieren können. Kinder haben von Natur aus Freude an der Bewegung. In der Corona-Krise haben sie jedoch oft stundenlang vor dem Bildschirm gesessen oder Computerspiele gemacht. Das hat ihnen nicht gutgetan und zu einem enormen Anstieg sowieso schon vorhandener Probleme geführt, seelischer wie körperlicher.

Der Medienkonsum hat auch dazu geführt, dass die Kurzsichtigkeit epidemiehaft zugenommen hat – fast jedes Kind oder jeder Jugendliche heute trägt eine Brille! Wie beugt man einer Kurzsichtigkeit am besten vor? Mit täglich mindestens ein bis zwei Stunden Aktivitäten im Freien, im natürlichen Licht, es darf auch gerne etwas mehr sein.

Sie sind ja nicht gegen eine Impfung. Welche begleitenden Maßnahmen können Sie empfehlen?

Man sollte sich ein bis zwei Tage danach wirklich schonen, also sich körperlich nicht anstrengen, Ruhe gönnen. Gerade in diesen Tagen setzt sich das Immunsystem ja intensiv mit dem Impfstoff auseinander. Bei einer Impfung gegen Covid-19 ist es besonders ratsam, viel zu trinken, um dem Organismus genügend Flüssigkeit zuzuführen.

Gibt es noch etwas, was Sie unseren Leser:innen raten können?

Ich möchte sie ermutigen, sich gut zu informieren. Die Coronapandemie ist eine solche „Kampfzone“ geworden, wo man sich gegenseitig bekriegt und bekämpft, wo man mit Unterstellungen arbeitet und mit Vorwürfen, nicht lauter oder nicht wissenschaftlich zu sein. Es gibt aber in diesen Fragen nicht nur eine Meinung, schon gar nicht in der Wissenschaft. Die Wissenschaft lebt vom Streit, von der Auseinandersetzung, von der Suche nach der Wahrheit. Deshalb gibt es auch nicht DIE Wissenschaft. Es gibt nur Wissenschaftler:innen, Ärzt:innen und Forscher:innen, die mit verschiedenen wissenschaftlichen Methoden arbeiten und dabei zu Erkenntnissen kommen, die sie zur Diskussion stellen.

Wir Ärzte für individuelle Impfentscheidung investieren sehr viel Zeit, um sorgfältig zu recherchieren und den Wissensstand allen Interessierten zur Verfügung zu stellen – eben damit sich jede:e ihre/seine Meinung bilden kann und entscheidungsfähig wird. Deshalb finden sich auf unserer Homepage www.individuelle-impfentscheidung.de viele Informationen – auch zu den Corona-Impfstoffen. Wenn es etwas Neues gibt, dann wird das dort tagesaktuell eingepflegt.

Lieber Herr Dr. Deerberg, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Der Verein „Ärzte für individuelle Impfentscheidung“

Der Verein wurde 2006 von Ärzt:innen gegründet, die sich seitdem dafür stark machen, dass jede:r eine individuelle Impfentscheidung treffen kann. Die Informationen dafür bemüht sich der Verein bereitzustellen – sowohl was die Impfstoffe selbst betrifft, als auch die jeweiligen Erkrankungen, vor denen sie schützen sollen. Der Verein nimmt auch Stellung zu aktuellen Fragen und politischen Maßnahmen und veröffentlicht dazu jeweils Positionspapiere. Dr. Deerberg ist seit 2011 im Vorstand tätig.

Informationen zur Herdenimmunität durch Covid-19-Impfstoffe:
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/990096/Vaccine_surveillance_report_-_week_21.pdf

Studie zur Auswirkung des Lebensstils auf die Gesundheit:
K. Li, A. Hüsing, R. Kaaks. Lifestyle risk factors and residual life expectancy at age 40: a German cohort study. BMC Medicine 2014, 12:59 doi:10.1186/1741-7015-12-59 https://news.harvard.edu/gazette/story/2018/04/5-healthy-habits-may-increase-life-expectancy-by-decade-or-more/

Die Fragen stellte Anke Schmietainski von der Online-Redaktion des Naturheilmagazins. (Juni 2021)

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Dipl.-Biologin
Viola Buggle
Praxis für Naturheilkunde und Traditionelle Chinesische Medizin
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