Im Gespräch mit Professor Michalsen Chefarzt für Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin

In seinem Bestseller „Mit Ernährung heilen“ zeigt Prof. Michalsen eindrucksvoll und wissenschaftlich belegt, das große Potenzial von gesunder Ernährung und Heilfasten. Er räumt mit Ernährungsmythen auf und erklärt die Zusammenhänge zwischen dem, was wir essen und vielfältigen, gesundheitlichen Beschwerden. Im Gespräch mit dem Naturheilmagazin verrät Prof. Michalsen, wie er selbst fastet, welche 4 grundlegenden Regeln gesunde Ernährung für ihn beinhaltet und was er am liebsten kocht.

Über Prof. Andreas Michalsen

Prof. Andreas Michalsen ist Deutschlands bekanntester Fastenexperte. Der Sohn eines Kneipp-Arztes erforscht als Professor für klinische Naturheilkunde an der Charité und als Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin, wie sich klassische Schulmedizin und traditionelle Naturheilverfahren in Einklang bringen lassen. Die Therapiemöglichkeiten des Fastens und der heilsamen Ernährung liegen ihm besonders am Herzen. In zahlreichen Studien konnte er die positive Wirkung verschiedener Fastenmethoden bei Herzkreislauf-Beschwerden und chronischen Erkrankungen wissenschaftlich belegen. Er ist ein international vielgeschätzter Referent sowie Autor – sein Buch „Heilen mit der Kraft der Natur“ wurde bereits 2017 ein Bestseller.

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Lieber Herr Prof. Michalsen, was ist in Ihrer Klinik anders als in rein schulmedizinisch-geführten Kliniken?

Wir vereinen die Naturheilkunde mit der Schulmedizin. Das bedeutet, dass wir neben der klassischen Schulmedizin viele andere Therapien mit im Portfolio haben und deswegen heißt es bei uns auch Integrative Medizin. Außerdem versuchen wir bei jedem Patienten ganzheitlich mitzudenken. Was kann der Mensch in Zukunft für seine Erkrankung anders gestalten? Was kann er für seine Gesundheit tun? Uns ist es wichtig, ihn bei diesen Fragen zu informieren, zu coachen und zu trainieren. Ganz gleich, ob es sich um Meditation, Yoga, Kneipp-Güsse, Fasten oder Ernährung handelt.

Es gibt eine Vielzahl von Therapien in der Naturheilkunde. Wie entscheiden Sie in Ihrer Klinik, was Sie nutzen und was nicht?

Die Leitschnur ist immer, ob es wissenschaftlich genügend Daten oder Hinweise für die Wirksamkeit gibt. Die Naturheilkunde ist sehr breit und oft mangelt es dort auch an Geld für Forschungen. Daher ist vieles noch nicht untersucht worden. Für uns muss es zumindest plausibel, naheliegend oder vielversprechend sein, dass die Anwendung hilfreich ist.

Unsere Skalierung ist dabei folgendermaßen angelegt: Verfahren, bei denen es viele Wirksamkeitsnachweise gibt, wie Yoga, Heilfasten oder bestimmte Heilpflanzentherapien setzen wir ganz klar ein. Andere versuchen wir selber zu erforschen. Verfahren, wo wir negative Studienergebnisse haben, wie zum Beispiel bei der Bioresonanz, die setzen wir dann nicht ein.

Sie forschen seit vielen Jahren intensiv zu den Themen Ernährung & Fasten. Woher kam Ihre persönliche Begeisterung für das Fasten?

Das habe ich von Kindesbeinen an bei meinem Vater in der Praxis miterlebt. Später, als ich junger Arzt in der Naturheilkunde war, habe ich festgestellt: Fasten ist eine ganz zentrale Therapie in der Naturheilkunde. Neben Meditation und Yoga könnte man es auch als die Königsdisziplin ansehen.

Da ich über all die Jahre bei Tausenden von Patienten immer wieder fantastische Erfolge gesehen habe, wuchs meine Begeisterung und auch die Überzeugung. Die Forschung ist eine Bereicherung für das Fasten und hat wesentlich die weltweite Anerkennung für das Fasten gesteigert. Mittlerweile sind neben dem Heilfasten viele weitere Formen bekannt, wie das Intervallfasten oder die Fasting Mimicking Diet. Früher waren es mit Buchinger oder F. X. Mayr ein paar Ärzte, die das "irgendwie" gemacht haben und das wurde dann in den Kliniken so weitergegeben, wie es der Urgroßvater vorgegeben hatte. Doch jetzt haben wir durch die Forschung ein großes Spektrum an neuen Erkenntnissen und Möglichkeiten.

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Ihr aktuelles Buch „Mit Ernährung heilen“ wird viele Menschen begeistern, denn es beschreibt die neuesten Forschungserkenntnisse zu gesunder Ernährung, Lebensstil und Anti-Aging. Auch beantworten Sie darin die oft gestellte Frage: Warum alle Diäten gescheitert sind und wie wir endlich klug und gesund abnehmen können? Was sind die wichtigsten Ratschläge, um klug und gesund abzunehmen?

Es sind eigentlich nur 4 Punkte, die ich als zentral ansehe:
  1. Keiner braucht „Low-Carb“ zu essen. Kohlenhydrate sind wichtig und gut. Doch die Kohlenhydrate sollten möglichst aus Vollkorn sein. Vollkornbrot, Vollkornnudeln, Vollkornreis oder andere Getreide mit dem vollen Korn. Wichtig ist, die weißen Auszugsmehle und Zucker möglichst ganz zu meiden.
  2. Vegetarisch! Die Ernährung sollte so pflanzlich wie möglich sein. Es sagen immer mehr Studien, dass man dauerhaft bei Diabetes und Übergewicht umso bessere Ergebnisse erzielt, je vegetarischer und pflanzlicher die Nahrung ist.
  3. Gemüse, Gemüse, Gemüse. Die Deutschen essen zu viel Obst und zu wenig Gemüse. Vor allem die billigen und saisonalen Gemüse, wie Kohl, Kraut, Bohnen, Karotten sind super gesund. Das Fantastische bei Gemüse ist ja, dass es wertvoll an Inhaltsstoffen ist und man damit tolle Effekte beim Abnehmen erzielen kann.
  4. Das Intervallfasten! Es muss nicht immer 16h/8h sein. 14h/10h ist auch gut und man kann es typgerecht anpassen, so wie es im Buch steht. Zum Beispiel je nachdem, ob man ein Morgen- oder Abendtyp ist. Übrigens Frauen nehmen leichter ab als Männer.

Wenn man diese 4 Regeln an den meisten Tagen seiner Woche befolgt, dann kenne ich kaum jemanden, der nicht überflüssiges Gewicht verliert.

Prof. Dr. Andreas Michalsen:
„Mit Ernährung heilen“
Besser essen – einfach fasten – länger leben. Neuestes Wissen aus Forschung und Praxis

gebundene Ausgabe
368 Seiten
Februar 2019
€ 24,95
ISBN 978-3458177906

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Mit welchen hauptsächlichen Beschwerden kommen die Patienten zu Ihnen und wie verlassen Sie die Klinik wieder?

Wir haben sehr viele Menschen, die mit Schmerzerkrankungen zu uns kommen. Schmerzen sind ein Problem, wo die Schulmedizin sehr häufig nicht weiterhelfen kann. Das sind dann sehr unterschiedliche Diagnosen, wie Weichteilrheuma, Fibromyalgie, Migräne, chronische Rückenschmerzen oder Arthrosen. Die Menschen heute leiden viel unter Schmerzen. Der zweite große Beschwerdebereich sind die Stoffwechselerkrankungen, wie Diabetes oder Bluthochdruck. Der dritte Schwerpunkt sind Stress, Depressionen und Erschöpfungssymptome. Auch behandeln wir alle internistischen Erkrankungen. Zu uns kommen Menschen begleitend zu einer Krebstherapie, aber auch mit Asthma oder einer Darmerkrankung.

Ist Fasten zentraler Bestandteil aller Therapien bei Ihnen?

Das Fasten setzen wir bei fast allen chronischen Erkrankungen ein. Außer es spricht etwas dagegen, wie bei Menschen, die Magersucht haben, Untergewicht oder eine Essstörung. Die dürfen und sollen nicht Fasten. Bei Gicht oder Gallensteinen sollte man auch nicht fasten.

Welche Fastenform nutzen Sie selbst und Ihre Familie?

Ich mache an den meisten Tagen der Woche das Intervallfasten. Und zwar nutze ich folgende Form: Ich lasse entweder das Frühstück ausfallen und trinke nur einen Kaffee oder ich nehme mir mein Frühstück mit zur Arbeit und esse erst um 11 Uhr meine Haferflocken, Nüsse und Leinsamen. Ich schaue, dass ich so auf 15-16 Stunden essfreie Zeit komme. Wenn es mal 14 Stunden sind, ist das auch ok – ich mache da auch keinen Zwang daraus.

Seit 14 Jahren ernähre ich mich außerdem strikt vegetarisch und mache einmal im Jahr ein Heilfasten. Da ich etwas dünner vom Typ her bin, mache ich das Heilfasten nur 5-7 Tage, alles andere wäre für mich zu viel.

Meine Frau hat bis vor kurzem gestillt, da verbietet sich das Fasten. Und Kinder sollen ja nicht fasten. Doch unsere Kinder ernähren sich zwangsläufig gesünder, da wir ja täglich frisch kochen. Wobei es auch mal Pommes und Pizza gibt. Doch auch wenn ich aktuell der Einzige in der Familie bin, der Intervallfasten nutzt, ist das kein Problem. Wenn wir sonntags um 10 Uhr brunchen, dann mache ich natürlich mit und esse auch mal Brezeln oder Brötchen.

„Beim Fasten ist es wichtig, sich keinen Stress zu machen. Man muss konsequent sein, aber Ausnahmen sollten immer möglich sein.“
[Andreas Michalsen]

Wir haben jetzt so viel über das Fasten gesprochen. Essen Sie eigentlich gerne und haben Sie Lieblingsgerichte?

Oh ja, ich liebe Essen und habe ganz viele Lieblingsgerichte. Ich koche sehr gerne asiatisch, zum Beispiel Wok-Curry-Pfannen, wo ich Pak Choi, Zwiebeln, Pilze mit Koriander und Reis mische. Und die italienische Küche liebe ich auch! Zum Beispiel „Parmigiana di melanzane“, das ist ein Auberginenauflauf. Ich esse auch gerne Pasta. Doch die mache ich dann mit Vollkornnudeln, zum Beispiel „Pasta all arrabiata". Indisch ist auch sehr lecker, wie „Linsen-Dhal" oder „Mung-Dhal". Da könnte ich jetzt noch ganz viel erzählen. Ich versuche das Essen abwechslungsreich zu gestalten und achte auch darauf, dass Proteinquellen dabei sind. Tempeh mag ich sehr gerne und schneide ihn in Scheiben und brate ihn in der Pfanne mit etwas Sojasoße. Dazu Reis und Kräuter – das ist ein sehr leckeres Gericht.

Außerdem liebe ich die einheimischen Superfoods: Heidelbeeren, Himbeeren oder Walnüsse. Diese Nahrungsmittel habe ich immer griffbereit in der Küche und in ausreichender Menge vorrätig. Es muss nicht die Eiscreme als Nachspeise sein, sondern ein Joghurt mit Heidelbeeren und Honig ist genauso lecker und wesentlich gesünder.

Was bedeutet Gesundheit für Sie ganz persönlich?

Gesundheit bedeutet für mich, dass man mit seinem körperlichen und geistigen Befinden, seinem Lebensstil, seinem Umgang mit Ernährung und Bewegung in der Balance ist. Gesundheit muss nicht heißen, dass man keine Beschwerden hat oder keine Krankheit. Ab einem gewissen Alter hat jeder irgendetwas und es gibt auch genetische Behinderungen. Doch es ist wichtig, dass man auf Signale des Körpers reagiert. Zum Beispiel habe ich schon immer eine Neigung zu Rückenschmerzen. Ich weiß, dass das mit Yoga weggeht. Doch auch ich habe einen inneren Schweinehund. Wenn wieder so ein Rückenschmerz kommt, weiß ich, ich bin nicht mehr in meiner Balance und muss unbedingt wieder mehr Yoga machen. Diesen Impuls nehme ich auf und mache mehr Yoga, bis sich das in ein Wohlbefinden hinein bewegt. Auch weiß ich aus Erfahrung, dass es mir nicht hilft, zum Orthopäden zu gehen oder mir eine Spritze geben zu lassen. Das löst das grundsätzliche Problem nicht. Es würde nur betäuben, doch meine Balance nicht herstellen.

Was können Sie noch empfehlen, um die innere Balance zu erhalten?

Alle meditativen und entspannenden Techniken, wie Meditation, Yoga, Thai Chi oder Qigong sind hervorragend – gerade in unserer schnelllebigen Zeit. Bei kleineren Beschwerden sind auch Heilpflanzen sehr sinnvoll. Diese kann man mit passenden Kräutertees oder Pflanzenextrakten aus der Apotheke gut beheben.

Ich bin auch ein großer Fan von Kneipp. Also Kälte- und Wärmereize einzusetzen, ganz gleich, ob das Güsse, Wassertreten, Sauna oder Wechselduschen sind.  Gerade in Familien lässt sich das leicht in den Alltag integrieren. Wenn man sich angewöhnt, sich täglich nach dem Duschen kalt abzubrausen, ist das eine wunderbare Wellnessanwendung für zu Hause. Ich würde empfehlen, mindestens einmal am Tag mit kaltem Wasser in Berührung zu kommen. Besonders effektiv ist übrigens der Guss. Man weiß aus der Anatomie, dass die Temperaturempfänger, diese Rezeptoren unter der Haut, stärker reagieren, wenn die Kälte flächenhaft auftritt und nicht nur nadelstichartig wie bei der normalen Brause. Das Flächige stimuliert den Körper intensiver als der Duschstrahl. So einen Gussschlauch kann man sich in jedem Baumarkt kaufen und einfach an die Dusche montieren.

Und dann ist es natürlich wichtig, auf guten Schlaf zu achten. Am besten in einem ganz dunklen Raum. Die Rhythmik im Leben ist essenziell – darauf sollte jeder Wert legen.

Sie setzen sich intensiv als Arzt, Autor und Botschafter für eine naturbasierte Ganzheitsmedizin ein und geben Ihren Patienten tagtäglich Hoffnung und Kraft. Was sind Ihre persönlichen Kraftquellen? Wo tanken Sie auf?

Vor allem durch Yoga und Meditation und natürlich auch durch das Heilfasten. Kneipp-Therapie und Sport mache ich regelmäßig. Wenn ich manchmal sehr geschafft bin, dann weiß ich, es ist Zeit auszuruhen und einfach mal länger zu schlafen oder Urlaub zu machen. Ich nutze den Urlaub auch um etwas für mich und meinen Körper zu tun und zu regenerieren. Natürlich ist es aufregender, die Welt zu entdecken und Städte wie New York zu bereisen. Doch manchmal signalisiert mein Körper mir, dass es besser wäre, mich auszuruhen und dann mache ich das auch.

Gibt es schon ein neues Buchprojekt?

Noch nicht konkret, doch ich denke, ich werde mich als Nächstes dem Thema Stress und Entspannung widmen. Das ist ein erhebliches Problem unserer Zeit mit den Smartphones. Ich beobachte das auch bei mir selber, wie stark die Suchtwirkung von den ganzen Geräten ist. Die gesundheitlichen Folgen werden immer größer: Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und immer mehr Menschen brauchen eine Brille. In diesem Bereich gibt es viel Aufklärungsarbeit zu leisten.

Deshalb ist mein letzter Rat für heute: Filtern Sie auf allen Smartphones und Laptops das Blaulicht heraus, damit der Schlaf gut ist. Ich wünsche allen Lesern viel Gesundheit!

 

 

Herzlichen Dank für das informative Gespräch!

Ihre Redaktion Naturheilmagazin
 

Das Interview wurde im Juli 2019 geführt – veröffentlicht im März 2020.
 

Weiterführende Links:

Zur Website des Immanuel Krankenhauses in Berlin

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