Komplexhomöopathie 

In der Homöopathie werden grundsätzlich die Einzel- und die Komplexmittelhomöopathie unterschieden. Auch wenn die Ausgangsstoffe bei beiden nach homöopathischen Richtlinien aufbereitet (potenziert) werden und in ähnlicher Form (Tropfen, Globuli) verabreicht werden, erfolgt die Auswahl und Dosierung der Mittel bei der Komplexmittelhomöopathie gänzlich anderen Kriterien.

Unter Komplexmittelhomöopathie wird die Behandlung mit gemischten homöopathischer Einzelmittel verstanden. Sie hat aber in ihrem Wesen und dem Vorgang der Arzneiwahl nach, nichts mehr mit der Klassischen Homöopathie zu tun. Ihre Verordnung erfolgt in der Regel nach denselben nosologischen Gesichtspunkten, also nach der klinischen Krankheitsdiagnose, wie die schulmedizinische Pharmakotherapie und nicht nach der oben beschriebenen Hahnemannschen Ähnlichkeitsregel. Die homöopathische Herkunft der Komplexmittel erkennt man an der Potenzierung ihrer einzelnen Inhaltsstoffe; ihre Herstellung unterliegt ebenfalls dem amtlichen homöopathischen Arzneibuch (HAB).

Von den Herstellerfirmen wird geltend gemacht, dass durch die Komplexpräparate eine Brücke zu schulmedizinisch-nosologisch denkenden Kolleginnen und Kollegen geschlagen werde, und so die Homöopathie größere Verbreitung gewinnen könne. Außerdem sei es der wesentlich einfachere Weg der Arzneifindung, da dem Therapeuten die zeitaufwendige Similewahl (die homöopathische Mittelwahl nach der Ähnlichkeitsregel) erspart würde.

Arzneiliche Wirkungen sind nicht zu bestreiten, da sowohl bei in vitro-Versuchenals auch in klinischen Studien  Wirksamkeiten einzelner Komplexpräparate dokumentiert werden konnten.

Kritiker der Komplexpräparate wenden ein, dass in den Rezepturen häufig Einzelmittel kombiniert werden, die sich laut den Erfahrungen der klassischen Homöopathen widersprechen, sich auch in der Wirksamkeit aufheben oder eventuell schädliche Arzneimittel-Interaktionen hervorrufen können.

Des Weiteren führe eine Behandlung mit Komplexmitteln zu einer zunehmenden Reaktionsmüdigkeit des Körpers, da die vielen und ungezielten Arzneireize den Körper zwangsläufig dazu bewegen, seine Reizschwelle anzuheben und so abzustumpfen. Insbesondere von einem (reiz-) regulationstherapeutischen Ansatz aus betrachtet, stellt ein Therapieschema, in dem mehrere Kombinationspräparate simultan angewandt werden, eine völlige Überforderung des Organismus dar, wenn er auf 30 - 40 unterschiedliche Arzneireize gleichzeitig reagieren soll.

Letztendlich erfährt der Therapeut nicht, welches Mittel in dem Gemisch das wirksame war und kann somit dessen Dosierung nicht verändern. Auch ist ihm verwehrt, die Arzneimittel besser kennen und unterscheiden zu lernen, so dass sein Erfahrungsgewinn gering bleibt.

Aus diesen Gründen hat der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) in seiner 99. Hauptversammlung 1938 die Therapie mit Komplexmitteln als unhomöopathisch abgelehnt; dieser Grundsatz besteht bis heute.

Anderseits soll nicht verschwiegen werden, dass andere naturheilkundliche Ärzteverbände, so beispielsweise die Hufelandgesellschaft, die Position vertreten, Homöopathie bestehe in der Anwendung von homöopathischen Präparaten im Sinne des Arzneimittelgesetzes, worunter auch die Komplexmittel fallen. Des Weiteren verwenden die anthroposophische Medizin und andere unkonventionelle Richtungen der Medizin Komplexmittel-Präparate, die nach dem homöopathischen Arzneibuch hergestellt werden.

Dies erklärt zum einen, das kein einheitliches theoretisches Konzept für den Einsatz von homöopathischen Komplexmitteln existiert, zum anderen ihre weite Verbreitung unter Ärzten, Heilpraktikern, und auch im freien Apothekenverkauf.

Autor/en dieses Beitrages:
, FA. für Allgemeinmedizin aus Mühlacker
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  • Online-Redaktion, am 04.03.2016
    Sehr geehrter Herr Schat,
    vielen Dank für Ihre offene Meinung. Wie Sie dem Beitrag entnehmen können, scheiden sich bei der Komplexhomoöpathie auch innerhalb der Homöopathie die Geister. Die einen vertreten die rein klassische Richtung, nach der nur homöopathische Einzelmittel eingesetzt werden. Die anderen kombinieren homöopathische Mittel - jedoch keineswegs wahllos. Immerhin hat die Kommission D für Homöopathie im Auftrag des BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) nach sorgfältiger Prüfung konkrete Anwendungsgebiete für viele homöopathische Einzelmittel anerkannt, die in den sog. Monografien zusammengefasst sind. Auf diese Monografien gehen wiederum zahlreiche mit einer Indikation versehene homöopathische Komplexmittel zurück (zugelassene homöopathische Arzneimittel). Wenn nicht alle homöopathischen Arzneimittel zur Wirkung beitragen, darf kein Anwendungsgebiet genannt werden (registrierte Arzneimittel).
    Zahlreiche Studien konnten inzwischen die Wirksamkeit bestimmter homöopathischer Einzelmittel oder Kombinationen bei bestimmten Anwendungen belegen. Einen Beweis, dass Homöopathie als Ganzes wirkt, wird es nie geben können. Schließlich kann man von einer Arznei nur dann erwarten, dass sie wirksamer als Placebos ist, wenn sie richtig ausgewählt und angewendet wurde.
    Vielleicht noch eine Anmerkung zu den "großen" Gewinnen der Hersteller homöopathischer Arzneien. Deren Preise liegen in vielen Fällen eher im unteren Bereich. Große Gewinne werden v.a. mit neuen Medikamenten gemacht. 2009 sollen die Ausgaben der Krankenkassen für homöopathische Arzneimittel bei 25 Mio gelegen haben. 25 Mio bei Gesamtausgaben von 28 Mrd. für Arzneimittel. Wir reden hier also von ganz anderen Größenordnungen.
    Das gilt auch für die Nebenwirkungen. Prof. Gøtzsche vom "Nordic Cochrane Center" weist z.B. daraufhin, dass Medikamente nach Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebs die dritthäufigste Todesursache sind. - Und damit sind wahrhaftig nicht homöopathische Arzneimittel gemeint.
    Unser Ziel ist es, verschiedene Möglichkeiten vorzustellen, damit jeder Patient selbst entscheiden kann, welchem Arzt er vertraut und welche Therapie er wählt. Gleich ob für oder gegen die Homöopathie.
    Ihre Online-Redaktion
  • Hans Schat, am 04.03.2016
    Na klar; das ideale Komplexmittel wäre ein Zuckerkügelchen mit allen 10.000 "Wirkstoffe", jedes 1/1000.000.000 verdünnt. Da in dieser Verdünnung sogar HCN oder As harmlos wären, gäbe es weiterhin keine Risiken und Nebenwirkungen. Solche Kügelchen würden für alle Krankheiten und noch viel mehr helfen. Es würde sich dann aber viel schneller und klarer herausstellen, dass sie gleich wie Placebos abschnitten. Keine gute Nachricht für Gutgläubige, Scharlatane und Quacksalber und "Arznei"-mittelhersteller, die sich heute an den Wirkungs- und Nebenwirkungs-freien Zuckerkügelchen eine goldene Nase verdienen. Deshalb: weiter verdünnen, verdummen und . . kassieren.

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