Fermentieren: Gesunder Trend mit langer Geschichte
Fermentation ist ein uraltes Verfahren, um Lebensmittel ohne Erhitzen länger haltbar zu machen. Wichtige Helfer dabei sind Bakterien, Pilze (v.a. Hefen) und Enzyme. Gärgetränke wie der Honigwein Met der alten Germanen oder das im alten Indien als Göttertrunk verehrte Kultgetränk „Soma“ waren schon vor Jahrtausenden verbreitet.
Nachdem fermentierte Lebensmittel dank moderner Technik und Lebensmittelchemie in den letzten Jahrzehnten auf dem Rückzug waren, sind sie zuletzt zum regelrechten Trendfood aufgestiegen. Kein Wunder, denn sie gehörten schon seit Urzeiten zur menschlichen Ernährung und bieten eine Menge Vorteile, von denen wir auch – oder gerade – heute noch profitieren können, wenn wir ihnen wieder mehr Raum in unserer Ernährung geben.
Definition: Was ist Fermentation?
Bei einer Fermentation bzw. Fermentierung werden organische Stoffe durch Mikroorganismen (v.a. Pilze, Bakterien) oder Enzyme umgewandelt. Dabei entstehen Säuren, Gase und Alkohol. Im engeren biochemischen Sinn bezeichnet Fermentation (lat. „fermentum“ = Gärung, Sauerteig) nur Prozesse unter Ausschluss von Sauerstoff, in der Biotechnologie wird der Begriff auch für aerobe Prozesse (mit Sauerstoff) verwendet.
Fermentierte Lebensmittel sind Lebensmittel und Getränke, die durch kontrolliertes mikrobielles Wachstum und die Umwandlung von Lebensmittelbestandteilen durch enzymatische Wirkung hergestellt werden. [Marco et al. 2017]
Wie funktioniert die Fermentation?
Während unsere Vorfahren meist einfach die Hefen, Bakterien usw. genutzt haben, die sich natürlicherweise auf dem Gemüse oder in der Milch befanden, fügt man heute meist gezielt sog. Starterkulturen hinzu. Das können Milchsäurebakterien, Hefen, Schimmelpilze (v.a. bei Käse) oder andere wertvolle Mikroben sein. In Kombination mit Gemüse, Saft oder Milch bilden sie Essigsäure, Milchsäure, Alkohol und Gase, die für ein besonderes Aroma und längere Haltbarkeit sorgen.
In gewisser Weise wirkt das Fermentieren dabei wie eine „Vorverdauung“, bei der Lebensmittel durch Enzyme aufgeschlossen werden, die sie bekömmlicher macht und ihnen jede Menge Leben einhaucht.
Was macht fermentierte Lebensmittel so gesund?
Dass fermentierte Lebensmittel so beliebt sind, liegt nicht nur an ihrem besonderen Geschmack, sondern vor allem an ihren vielen positiven Wirkungen auf unsere Gesundheit.
Die Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (Fet) e.V. schreibt dazu [Fet; basierend auf Şanlier et al. 2019]:
„Fermentierte Erzeugnisse weisen antioxidative, antimikrobielle, antimykotische [pilzhemmende], entzündungshemmende, antidiabetische und antiatherosklerotische Effekte auf.“
Zudem verbessern sie die Verdauung, stärken das Immunsystem und liefern wichtige Nährstoffe.
Wertvolle Inhaltsstoffe
Jeder Fermentansatz gleicht einem kleinen Vitalitätslabor, in dem Milchsäurebakterien und andere Mikroben wichtige Aminosäuren, Vitamine, Enzyme und Polyphenole bilden.
- Fermentiertes Gemüse bietet mehr Folsäure, Vitamin B2, B12 und C als frisches Gemüse.
- Ggf. enthaltene Hefen liefern wertvolle B-Vitamine für Haut, Nerven usw.
- Die bei der Gärung gebildeten Säuren senken den pH-Wert und sorgen für eine längere Haltbarkeit.
- Beim Fermentieren entsteht die kurzkettige Fettsäure Butyrat (Buttersäure) – die wichtigste Energiequelle unserer Darmzellen.
- Bei der Fermentation entstehen bioaktive Peptide, biogene Amine und andere biologisch aktive Verbindungen, für die ebenfalls eine positive Wirkung auf die Gesundheit diskutiert wird.
- Zugleich sinkt der Gehalt an Zucker und sog. Antinährstoffen, die die Aufnahme lebenswichtiger Nährstoffe behindern (s.u.).
Mikrobiom als Gesundheitsfaktor
Um das Image von Bakterien, Pilzen und Viren stand es lange nicht zum Besten. In erster Linie galten sie als Krankheitserreger und Fäulnisverursacher, die es mit Antibiotika, Konservierungsstoffen, Pasteurisieren usw. zu bekämpfen galt. Erst in den letzten Jahren wurde klar, wie wichtig all diese Mikroben für unsere Gesundheit sind.
Heute wissen wir: Die in und auf uns lebenden Bakterien, Viren und Pilze – auch Mikrobiom genannt – bereichern unseren Stoffwechsel mit Genen, Enzymen, Vitaminen und Stoffwechselprodukten, halten Krankheitserreger in Schach und stehen dabei in regem Austausch mit unseren Körperzellen.
Und genau hier kommen fermentierte Lebensmittel ins Spiel: Sie bereichern unser Mikrobiom und versorgen uns mit wichtigen Nährstoffen.
Bakterielle Vielfalt für einen gesunden Darm
Je größer die Vielfalt unserer Darmbakterien, umso gesünder ist unsere Darmflora. Doch unsere Artenvielfalt, die Stütze unseres ökologischen Gleichgewichts, ist bedroht. Unsere moderne urbane Ernährung mit stark verarbeiteten, steril hergestellten Nahrungsmitteln und Konservierungsstoffen sowie Antibiotika und Pestizide – all das hat zu einem massiven Artensterben im Darm geführt. Und das hat Folgen. Beispielsweise leiden Menschen mit einer geringeren Artenvielfalt im Darm häufiger an Übergewicht und Diabetes.
Gerät die Darmflora aus dem Gleichgewicht, können sich leichter Darmpilze (Candida) und andere krankmachende Keime ansiedeln. Blähungen, übel riechende Fäulnisgase, die die Leber enorm belasten und Durchfall sind typische Anzeichen einer solchen Fehlbesiedlung (Dysbiose) im Darm. Umgekehrt können probiotische Keime die Verdauung und sogar Durchfall verbessern.
Höchste Zeit also, wieder für mehr gesunde Lebendigkeit im Darm zu sorgen!
„Vielfalt stabilisiert und reguliert Ökosysteme wie den Darm.“
Norbert Hartwig
Probiotische Wirkung fermentierter Lebensmittel
Eine gute Möglichkeit, das Darmmikrobiom mit Mikroben zu bereichern, bieten naturbelassene, frisch fermentierte Lebensmittel mit probiotischen Bakterien und/oder Hefen. Den besten Nutzen erzielen Sie, wenn Sie Ihrem Körper eine möglichst breite Vielfalt dieser Mikroorganismen zur Verfügung stellen, also z.B. nicht nur Hefen oder Milchsäurebakterien, sondern beides, wie das z.B. bei Kombucha oder (Wasser-)kefir der Fall ist. In puncto Vielfalt waren unsere Vorfahren absolut vorbildlich. Statt einzelner Zuchtkulturen, wie es heute üblich ist, landete beim traditionellen Fermentieren eine üppige Vielfalt an Bakterien und Hefen im Essen und sorgte zugleich für geschmackliche Vielfalt.
Gut zu wissen: Nicht jedes fermentierte Lebensmittel ist auch probiotisch. Voraussetzung ist, dass es ausreichend viele lebens- und teilungsfähige Mikroorganismen enthält, die bis in den Darm gelangen und sich dort ansiedeln können. Im Handel finden sich leider zuhauf fermentierte Lebensmittel, die ihrer Lebendigkeit beraubt wurden. Das gilt für pasteurisiertes Sauerkraut ebenso wie für sterilfiltriertes Bier, aus dem die aktiven Saccharomyces-Hefen entfernt wurden.
Gut fürs Immunsystem & gegen Entzündungen
Eine gesunde, vielfältige Darmflora drängt krankmachende Keimen im Darm zurück und sorgt dafür, dass die Erreger nicht so leicht in den Körper eindringen. Dadurch sind wir besser vor Infektionen geschützt.
Wer regelmäßig fermentierte Lebensmittel isst oder trinkt, verbessert seine Immunantwort und wirkt Entzündungen entgegen. [Wastyk et al. 2021]
Besser bekömmlich
Beim Fermentieren sorgen Enzyme dafür, dass Nahrungsbestandteile zerkleinert und besser verdaubar werden. Dadurch können Eiweiße besser vertragen und Mineralien besser aufgenommen werden.
Ein gutes Beispiel ist richtiger Sauerteig. Getreide wie Roggen enthält als Fraßschutz Phytin, das mit unseren Schleimhautzellen im Darm reagiert und die Aufnahme von Kupfer, Calcium, Zink und Eisen hemmt. Bei der Milchsäuregärung wird Phytin im Sauerteig abgebaut und das Brot bekömmlicher. – Das gilt allerdings nur, wenn richtiger Sauerteig verwendet wird und dem Teig genügend Zeit gelassen wird. Aus Kostengründen wird heute gern mit Kunstsauer gebacken. Statt bis zu 24 Stunden reichen dann 2–3 Stunden. Damit fehlt jedoch der wichtige Phytinabbau.
Auch Reizdarm-Patienten, bei denen FODMAPs (fermentierbare Kohlenhydrate) zu Verdauungsproblemen führen, vertragen echtes Sauerteigbrot oft besser, weil bei der Fermentation auch zu den FODMAPS gehörige Fruktane abgebaut werden. [Dimidi et al. 2019; Marco et al. 2017]
Ein weiteres Beispiel ist Milchzucker (Laktose), der bei sensiblen Menschen zu Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall führen kann. Milchsäurebakterien bauen beim Fermentieren einen Teil der Laktose ab. Menschen, die im Darm zu wenig von dem Enzym Laktase zum Abbau von Laktose haben, vertragen daher lange gereiften Käse und probiotischen Joghurt besser als Milch.
Weitere gesundheitliche Vorteile fermentierter Lebensmittel
- Weniger Zucker: Zu viel Zucker ist ungesund und kann das Darmmikrobiom stören [Do et al. 2018]. Beim Fermentieren werden Stärke und Zucker abgebaut, aber nur dann wenn lebende Hefen bzw. Bakterien enthalten sind.
- Kombucha und Kefir scheinen sich günstig auf den Blutzucker- und Cholesterinspiegel auszuwirken. [Dimidi et al. 2019]
- Fermentierte probiotische Lebensmittel wie Jogurt und Kefir können den Blutdruck leicht senken. [Khalesi et al. 2014, Dong 2013]
- Wer viel Jogurt und Sauermilch isst, kann damit sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. [Sonestedt et al. 2011]
- Sogar das Darmkrebsrisiko soll durch fermentierte Lebensmittel gesenkt werden können [ndr].
Von Sekt bis Sauerkraut – fermentierte Lebensmittel
Bier, Jogurt, Käse, Sauerkraut, Sauerteigbrot und Salami – fermentierte Lebensmittel hat wohl jeder schon einmal gegessen oder getrunken. In vielen Teilen der Welt haben sie eine zum Teil Jahrtausende alte Tradition und bis heute einen festen Platz auf dem Speiseplan. Besonders verbreitet sind fermentiertes Gemüse, fermentierte Milchprodukte und Fermentgetränke wie Wein, Sekt, Bier, Kefir und Kombucha.
Ferment-Traditionen aus aller Welt
Ausgangsmaterial | Herkunft | |
GEMÜSE | ||
Tempeh, Miso, Natto | Sojabohnen | Japan |
Kimchi | Chinakohl | Korea |
Sauerkraut | Weißkohl | Deutschland |
FERMENT-GETRÄNKE | ||
Met | Honig, 11-16 (-20 %) Ethanol | Germanen |
Soma | Beeren, Milch, Pilze und Kräuter | Alt-Indien (Veden) |
Kefir (ursprünglich) | Stutenmilch | Südrussland, Kaukasus, Sibirien |
Kombucha | Tee, Zucker: 0,1–2 % (oder auch mehr) | Asien / Osteuropa |
Kwass (ursprünglich) | Stutenmilch; 0,5–2,5% Ethanol | Ostslawischer / z.T. südslawischer Raum |
Kumys (ursprünglich) | Stuten-/Kamelmilch | Zentralasien |
Gemüse, Früchte und andere fermentierte Lebensmittel
Schon die alten Römer wussten zu Sauerkraut vergorenen Weißkohl zu schätzen. Später bewahrte das Vitamin-C-reiche Superfood so manchen Seemann vor dem gefürchteten Skorbut.
Besonders gut fermentieren lässt sich festes (Bio-)Gemüse wie Bohnen, Chinakohl, Gurken, Karotten, Kürbis, Paprika und Rote Bete. Doch Vorsicht: Nicht alles, was nach fermentiertem Gemüse klingt ist auch fermentiert! Ein typisches Beispiel sind industriell hergestellte saure Gurken und anderes saures Gemüse, das oft nur mit Essig eingelegt wird und dem daher alle wichtigen Gesundheitsaspekte der milchsauren Gärung fehlen.
Ein Beispiel für fermentierte Früchte sind zu den Steinfrüchten zählende Oliven und durch Fermentation von Äpfeln oder Trauben gewonnener Essig.
Auch Käse, Sauerrahm, Jogurt und Rohwürste wie Salami werden durch Fermentation hergestellt.
Tipps für den Einkauf
Klar, wer selbst frisch fermentiert, hat die lebendigsten Lebensmittel. Da man aber im Alltag kaum alles selber herstellen kann, hier noch ein paar Tipps für den Einkauf:
Einkaufstipps – darauf sollten Sie beim Einkauf fermentierter Lebensmittel achten
- Bevorzugen Sie Gärprodukte mit Zutaten aus biologischem Anbau.
- Kaufen Sie echtes Sauerteigbrot (kein kunstgesäuertes), bei dem der Natursauerteig viel Zeit (am besten 24 Stunden) zur Reifung hatte.
- Bevorzugen Sie Käsesorten mit langer Reifezeit und entsprechend mehr Aromen und Vitalstoffen – ohne Nitratzusatz, am besten aus Bio-Rohmilch und mit Kräuterzusatz.
- Achten Sie bei saurem Gemüse wie sauren Gurken unbedingt darauf, dass es auch wirklich fermentiert wurde und für den sauren Geschmack nicht einfach nur Essig zugefügt wurde.
- Einen unverfälschten Essig erkennt man an Hinweisen wie „naturvergoren“ und „100 % Obstessig“ oder „reiner Weinessig“. Wenn diese Angaben fehlen, kann der naturvergorene Essig mit chemisch hergestellter Essigessenz verschnitten sein.
- Die Reifung in Holzfässern verleiht Wein und Essig nicht nur ein besonderes Aroma, sondern auch sekundäre Pflanzenstoffe.
- Damit Sauerkraut sein Potenzial voll entfalten kann, muss es roh und nicht pasteurisiert sein. Denn Erhitzen tötet die wertvollen probiotischen Bakterien und zerstört kostbare Vitamine.
Gemüse einfach & sicher selber fermentieren
Wer Gemüse selbst fermentieren möchte sollte wissen:
- Optimal für die Gärung und zum Aufbewahren fermentierter Lebensmittel sind Gefäße aus (Braun-)glas, Holz und Keramik.
- Gase, die automatisch beim Gären entstehen, müssen entweichen können.
- Hände und Gläser vorher gründlich waschen.
- Gereinigtes Gemüse mit 2–4 % Salz vermengen, in zuvor ausgekochte Gläser füllen und fest zusammendrücken. – Das Salz hemmt das Wachstum unerwünschter Bakterien und Pilze.
- Beim Würzen dürfen Sie ruhig kreativ sein und Ihr Gemüse mit frischen Kräutern, Gewürzen, Zwiebeln und Knoblauch aufpeppen.
- Weiße Ablagerungen oder unangenehmer Geruch sprechen dafür, dass sich schädliche Bakterien oder Schimmelpilze eingenistet haben.
Ein Nachtteil von fermentiertem Gemüse ist der hohe Salzgehalt. Eine leckere salzarme Alternative, die in wenigen Tagen selber hergestellt werden kann, sind Fermentgetränke.
Fermentgetränke – leckere Mikrobenpower für Zwischendurch
- Sauermilch und Kefir erhalten ihren säuerlich-frischen Geschmack vor allem durch Milchsäuregärung.
- Bier, Wein, Sekt, Federweißer und Honigwein (Met) gehören zu den alkoholischen Fermentgetränken. Sie entstehen durch alkoholische Gärung, bei der Zucker in Alkohol umgewandelt wird.
- Kaffee, Kakao und Tee gewinnen erst durch Fermentation ihr besonderes Aroma.
- Kombucha und Wasserkefir werden auf Basis von Tee oder Zuckerwasser hergestellt.
Fermentgetränke im Vergleich – Tipps zur Auswahl
Die wichtigsten Unterschiede bei Fermentgetränken
Ferment ist nicht Ferment. Tatsächlich gibt es große Unterschiede bei den Fermentgetränken. Hier die wichtigsten Punkte:
- Welche Mikroben sind enthalten?
Viele Fermentgetränke enthalten entweder Hefen (Bier, Wein, Sekt, Federweißer) oder Bakterien (aus Jogurt hergestellter Ayran). Aus meiner Sicht brauchen wir beides.
Auch bei den beteiligten Bakterien gibt es große Unterschiede: Normaler Kombucha enthält z.B. hauptsachlich Essigbakterien. Es sind aber die Milchsäure-Bakterien, die den Darm optimal unterstützen.
- Wie gut gelangen sie bis in den Darm?
Vorteilhaft sind säuretolerante und robuste Mikroben, die lebend durch den sauren Magen bis in den Darm gelangen. So sind Naturhefen erfahrungsgemäß robuster als Zuchthefen.
- Wie viele Bakterien und Hefen sind enthalten?
Für eine probiotische Wirkung brauchen wir ausreichend viele Mikroben. Als Faustregel empfehle ich mindestens 1 Milliarde (109) lebensfähige Keime.
Der Gehalt an Darm relevanten Mikroben hängt entscheidend vom Alter des Lebensmittels bzw. Zeitpunkt des Verzehrs ab.
Nehmen im Laufe der Gärung die Menge an Säure oder Alkohol zu und gehen die Nährsubstanzen zur Neige, kommt die Vermehrung der Mikroorganismen zum Stillstand bis sie schließlich absterben. Molkereien rechnen von der Produktion bis zum Verzehr mit einer Einbuße lebender Mikroorganismen von etwa 99 %. Das bedeutet, nur ein winziger Bruchteil bleibt am Leben.
- Wie vital sind die Mikroben?
Damit sich die Mikroben gut im Darm ansiedeln können, braucht es möglichst vitale, d.h. lebens- und teilungsfähige Kulturen. Eine Orientierung bietet die Zahl koloniebildender Kulturen, die auf manchen Produkten angegeben wird.
- Wie schmeckt das Produkt?
Fermentgetränke haben einen besonderen, oft etwas säuerlichen Geschmack. Kombucha z.B. schmeckt dank der gebildeten Essigsäure mitunter recht sauer. Das ist nicht jedermanns Sache.
- Was steckt drin?
Fermentgetränke unterscheiden sich in ihrem Gehalt an Zucker, Milchzucker (Laktose) und Alkohol. So enthält Kombucha mit 0,1–2 % weit weniger Alkohol als Bier, Wein oder Sekt. Getränke mit weniger als 0,5 % Alkohol gelten als alkoholfrei.
- Fertigprodukt oder frisch & selbstgemacht?
Da die von lebenden, enzymaktiven Hefen bei der Gärung gebildeten Gase jede Flasche sprengen würden, lassen sich aktive Fermentgetränke nur bedingt in Flaschen füllen. Sicher kennen Sie das vom Federweißer, der auf keinen Fall luftdicht verschlossen werden darf. Aus diesem Grund wird die Fermentation bei den meisten im Supermarkt oder Reformhaus erhältlichen Fermentgetränken vor dem Abfüllen gestoppt. Wer volle Aktivität und Vitalität will, sollte sein Fermentgetränk daher lieber selbst frisch ansetzen. Denn naturbelassene, frisch fermentierte Fermentgetränke sind besonders reich an lebenden probiotischen Mikroorganismen und aktiven Enzymen, mit denen Sie Ihren Darm unterstützen können.
- Fermentierte Getränke selber machen – wie groß ist der Aufwand?
Gärgetränke wie Kombucha und Kefir lassen sich leichter als Jogurt ansetzen und bieten ein breiteres Spektrum an Mikroben. Wer sein Fermentgetränk selber machen möchte, sollte unbedingt auf gute Hygiene achten, auf die richtigen Bedingungen wie die Temperatur achten und etwas Zeit mitbringen. Wie der Fermentansatz am besten gelingt, ist bei jedem Fermentgetränk etwas anders. Definierte Starterkulturen haben den Vorteil, dass der Fermentansatz leichter und sicherer gelingt, und man weiß, was man hat, sprich welche Mikroben wirklich enthalten sind.
- Wie sicher sind selbst zubereitete Fermentgetränke?
Vor einiger Zeit gingen Warnungen zu selbst kultiviertem Kombucha durch die Presse, der mit dem Schimmelpilz Candida albicans verunreinigt war. [Fromme 1994] Der krankmachende Keim war unbemerkt in die Kombuchakultur geraten und hatte sich fröhlich weitervermehrt. Wer hier auf der sicheren Seite sein will, entscheidet sich lieber für sorgfältig kontrollierte Starterkulturen, wie sie von verschiedenen Firmen angeboten werden.
Das ideale Fermentgetränk
- enthält mind. 1 Mrd. vitale, Darm relevante Mikroorganismen
- enthält robuste Arten, die durch den sauren Magen bis in den Darm gelangen
- ist frisch und lebendig (nicht pasteurisiert/sterilfiltriert)
- enthält verschiedene Arten von Mikroorganismen, insbesondere Bakterien & Hefen
- basiert auf kontrollierten Starterkulturen
Was steckt wo drin?
HEFE-PILZE | BAKTERIEN | BASIS | |
Kombucha | Sog. Teepilz = Kombucha-Pilz (Scoby) mit verschiedenen Hefearten | Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien | gesüßter koffeinhaltiger Tee |
Milchkefir | Hefen | Milchsäurebakterien | Milch |
Wasserkefir | Hefen | u.a. Lactobacillus und weitere Milchsäurebakterien | Zuckerwasser |
Joghurt | - | Milchsäurebakterien | Milch |
Wie sicher sind fermentierte Lebensmittel?
- Wer einen empfindlichen Darm hat, sollte langsam einsteigen und dem Körper Zeit zur Umstellung lassen.
- Selbst gezüchtete Teepilze können mit gesundheitsschädlichen Bakterien und (Schimmel-)Pilzen verunreinigt sein.
- Deutlich unwahrscheinlicher ist eine Verunreinigung mit dem von Konserven bekannten Botulinumtoxin. Clostridium-botulinum-Bakterien, die das gefürchtete Gift bilden, vertragen nämlich keine Säure. Entsprechend hemmen die in fermentierten Lebensmitteln enthaltene Milchsäure und Essigsäure die Vermehrung dieser gefährlichen Bakterien.
- Wenn fermentiertes Fleisch oder Gemüse unangenehm riecht oder schimmelt, sollte es natürlich unbedingt weggeworfen werden.
Fazit
Vieles spricht dafür, dass fermentierte Lebensmittel einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit leisten können. Besonders zu empfehlen sind frisch fermentierte Lebensmittel und Fermentgetränke, die sich mit entsprechenden Starterkulturen leicht und sicher herstellen und nach Geschmack anpassen lassen.
Literatur- und Linktipps
- Hartwig, Norbert: Kefir, Kombucha & Soma: Powerdrinks für ein gesundes Leben. Silberschnur Verlag, 2024
Quellenangaben
- Dimidi E, et al.: Fermented foods: definitions and characteristics, impact on the gut microbiota and effects on gastrointestinal health and disease. Nutrients, 2019, 11(8): 1806
- Do MH, et al.: High-glucose or -fructose diet cause changes of the gut microbiota and metabolic disorders in mice without body weight change. Nutrients, 2018, 10(6): 761
- Dong, JY. et al.: Effect of probiotic fermented milk on blood pressure: a meta-analysis of randomized controlled trials. British Journal of Nutrition, 2013, 110(07)
- Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (Fet) e.V.: Probiotika: Ein tiefer Einblick in die Welt der nützlichen Mikroorganismen. https://fet-ev.eu/probiotika (Abruf am 16.4.2024)
- Fromme S.: Diplomarbeit im Fachbereich 19 der Universität Gießen, 1994. Infektionsrisiko durch Kombucha?
- Gulitz A. et al.: The microbial diversity of water kefir. International Journal of Food Microbiology 2011, 151 (3), 284–288. DOI: 10.1016/j.ijfoodmicro.2011.09.016.
- Hartwig N: Kefir & Göttertrank. Vitaler und länger leben durch Mikroorganismen. Silberschnur, 2004
- Khalesi S, et al.: Effect of probiotics on blood pressure. A systematic review and meta-analysis of randomized, controlled trials. Hypertension, 2014, 64, epub ahead of print
- Marco ML, et al.: Health benefits of fermented foods: microbiota and beyond. Current Opinion in Biotechnology, 2017, 44, 94–102
- Şanlier N, Gökcen BB, Sezgin AC (2019). Health benefits of fermented foods. Critical Reviews in Food Science and Nutrition 2019, 59(3), 506–527
- Sonestedt E, et al.: Dairy products and its association with incidence of cardiovascular disease: the Malmö diet and cancer cohort. European Journal of Epidemiology, 2011, 26(8)
- www.ndr.de: Kimchi, Sauerkraut & Co: Wie gesund sind fermentierte Lebensmittel? 17.03.2024; https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Kimchi-Sauerkraut-Co-wie-gesund-sind-fermentierte-Lebensmittel,fermentiert100.html
- Wastyk HC, et al.: Gut-microbiota-targeted diets modulate human immune status. Cell, 2021, 5;184(16):4137-4153.e14
- Weaver J: Fermented-food diet increases microbiome diversity, decreases inflammatory proteins, study finds. Stanford Medicin News Center, 12.7.2021