Das Rötelnvirus und die von ihm ausgelöste Kinderkrankheit sind bereits seit Jahrhunderten vergleichsweise harmlose Begleiter des Menschen. In Ländern ohne Impfung machen 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung eine Rötelninfektion durch – im Allgemeinen in der Kindheit.
Geschichte der Röteln
Aufgrund ihrer verhältnismäßig unspezifischen Symptome wurden die Röteln bis ins 19. Jahrhundert nicht zweifelsfrei als eigenständige Erkrankung identifiziert, sondern als “unechte Masern” oder eine Mischform von Scharlach und Masern missverstanden ... was der erfolgreichen Bewältigung und auch heute noch ausschließlich symptomorientierten, unterstützenden Behandlung der im Kindesalter in aller Regel leicht verlaufenden Krankheit keinen Abbruch tut.
Röteln in der Schwangerschaft
Für einigen Schrecken sorgte dagegen in den 1940er Jahren die Entdeckung der fruchtschädigenden Wirkung des Rötelnvirus. Infiziert sich eine Schwangere mit Röteln, kann ihr Kind eine sogenannte Rötelnembryofetopathie entwickeln. Besonders kritisch sind hier die ersten sechs Schwangerschaftswochen. Angeborene Trübungen der Augenlinse, Taubheit, Schäden an Herz, am Zentralnervensystem und an anderen Organen sind für das Fehlbildungssyndrom charakteristisch, Früh- und Fehlgeburten können auftreten. Die Rötelnembryofetopathie war eine der Haupttriebkräfte für die Suche nach einem Rötelnimpfstoff.
Die weitgehende Durchimpfung gegen Röteln ist allerdings in dieser Hinsicht ein teilweise fragwürdiger Segen: Ungeimpfte Mädchen und Frauen haben nur eine geringe Chance, auf natürlichem Wege, das heißt über das Durchmachen der Krankheit, eine Immunität zu entwickeln. Überdies schützt die überstandene Erkrankung 100%ig vor einer Neuinfektion, während der Impfschutz idealerweise von Zeit zu Zeit aufgefrischt werden sollte.
Es gibt daher durchaus Mütter, die ihre kleinen Töchter mit an Röteln erkrankten Kindern in Kontakt bringen, um das Thema “Rötelnschutz vor der Schwangerschaft” abzuhaken. Ist die Zeit reif, “holt” sich das Mädchen die Röteln – und damit lebenslange Immunität. Ein Vorteil bei einer frühen Erkrankung im Kindesalter ist zudem, dass die Röteln in diesem Alter in der Regel harmlos sind, während bei älteren Patienten eher Komplikationen wie Gelenkentzündungen, Herzmuskelentzündung oder eine Bronchitis auftreten können.
Die Rötelnembryofetopathie ist im europäischen Raum heute glücklicherweise sehr selten geworden, nicht zuletzt, weil Aufklärung und Vorsorge Bestandteil der Schwangerenbetreuung sind. Ärzte empfehlen Frauen mit Kinderwunsch bei Unsicherheit über den Immunstatus einen Antikörpertest und gegebenenfalls das Nachholen der Impfung. In der Schwangerschaft kann nicht mehr geimpft werden. Wird der Kontakt einer Schwangeren mit einer infizierten Person rechtzeitig bemerkt, kann die sofortige Gabe von Röteln-Antikörpern (Passivimpfung) Schlimmeres verhüten.
Röteln-Impfung
Die Röteln-Impfung wird von der ständigen Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut (RKI) empfohlen und ist Bestandteil der routinemäßigen Dreifach- (Masern-Mumps-Röteln) oder Vierfach- (+Windpocken) Impfungen im Babyalter. Angesichts der Harmlosigkeit der Erkrankung ist der Nutzen der Impfung in diesem Alter allerdings zweifelhaft.
Stille Feiung
Röteln können auch einen gänzlich asymptomatischen Verlauf nehmen.
Dazu der Kinderarzt Dr. Scheel: "Wie Windpocken sind auch Röteln Ausdruck von Heilungsprozessen im Körper. Diese Reaktionen des menschlichen Organismus sind Bemühungen bestehende Belastungen (z.B. sog. Miasmen, das sind von unseren Vorfahren vererbte oder vermittelte Störungen und Probleme …) zu bewältigen. Der Mensch muss sich permanent mit seelischen, geistigen, sozialen, körperlichen usw. Einflüssen auseinandersetzen. Das geschieht meist ohne erkennbare Störungen des Allgemeinbefindens. Im Fall einer Krankheit reicht die normale Regulation und Regeneration des Organismus nicht mehr aus, und er reagiert über die Reaktionsflächen Haut, Schleimhaut und Bindegewebe mit Fieber und sonstigen bekannten Krankheitssymptomen. Das heißt, dass wir auch Kinderkrankheiten bewältigen, ohne an den typischen Symptomen zu leiden. Unser Organismus, insbesondere das Immunsystem, ist quasi in einem ständigen Trainingszustand. So erklärt sich z.B. die „stille Feihung“: Mädchen haben in der Pubertät Röteln-Antikörper, ohne je geimpft worden oder (erkennbar) an Röteln erkrankt gewesen zu sein."
Symptome und Verlauf
Röteln sind eine leichte Infektionskrankheit, die über Tröpfcheninfektionen übertragen wird. Die Ansteckung ist nicht zwangsläufig: Nur etwa die Hälfte der Kinder, die dem Virus ausgesetzt waren, infiziert sich auch.
Bis zum Ausbruch der Krankheit verstreicht eine Inkubationszeit von zwei bis drei Wochen. Die Viren dringen über Nasen- oder Mundschleimhaut in den Körper ein, vermehren sich im oberen Atemtrakt und in den regionalen Lymphknoten. Etwa nach einer Woche beginnt die Freisetzung größerer Virenmengen ins Blut. Mit dem Blut verbreiten sich die Erreger im Körper, in verschiedenen Organen, manchmal auch in den Gelenken, und es kommt zum typischen Hautausschlag (Rötelnexanthem). Der Ausschlag beginnt im Gesicht und breitet sich dann über Kopf und Gliedmaßen aus. Es zeigen sich dicht, aber einzeln stehende, höchstens linsengroße, nur leicht erhabene rote Flecken, die sich nach spätestens drei Tagen wieder zurückbilden. Bereits vor dem Auftreten des Ausschlags können sich unspezifische Krankheitszeichen einstellen:
- vergrößerte Lymphknoten im Kopf-und Nackenbereich
- Kopfschmerzen
- Gelenkschmerzen
- Reizungen der Atemwege
- Entzündungen von Nasenschleimhaut und Bindehaut der Augen
- Fieber bis 39 Grad
Mit dem Abklingen des Ausschlags nehmen auch die übrigen Krankheitssymptome wieder ab.
Ansteckend ist die Erkrankung bereits eine Woche vor Auftreten des Exanthems und bleibt es bis etwa zwei Wochen nach den ersten sichtbaren Symptomen.
Komplikationen sind bei Röteln im Kindesalter sehr selten. Bei ausgesprochen schlechter Immunlage kann es zu Hirnhautentzüendungen, Gelenkentzündungen (Arthritis), Herzbeteiligung, Bronchitis, Mittelohrentzündungen oder Gerinnungsstörungen mit erhöhter Blutungsneigung (Nasenbluten, kleine Hautblutungen – sog. Petechien, Hämatomneigung) kommen. Das Komplikationsrisiko wächst, wenn die Erkrankung erst im Erwachsenenalter durchgemacht wird.
Diagnose
Die sichere Diagnose der Röteln anhand der Krankheitssymptome ist im Einzelfall praktisch ausgeschlossen, da andere Kinderkrankheiten (Masern, Scharlach, Dreitagefieber) sehr ähnliche Symptome haben. Nur, wenn aus dem Umfeld ohnehin ein gehäuftes Auftreten leicht verlaufender, von Hautausschlag begleiteter Erkrankungen bekannt ist, ist die zweifelsfreie Zuordnung möglich.
Eine exakte Diagnose kann nur anhand eines Laborbefundes gestellt werden. Röteln-spezifische Antikörper lassen sich bereits Tage nach dem Auftreten des Ausschlags im Blut nachweisen. Der Nachweis des Virus selbst ist aufwändig und Verdachtsfällen von Rötelnembryopathien vorbehalten. Im normalen Rötelnverlauf ist die Labordiagnose überflüssig. Steht sie sicher fest, ist die Krankheit nämlich im Allgemeinen bereits überstanden.
Schulmedizinische Therapie
Es gibt kein Medikament gegen Röteln. Ein gesundes Immunsystem wird mit dem Rötelnvirus ganz allein fertig. Auch die Schulmedizin empfiehlt daher in erster Linie Bettruhe und leichte Kost. Die typische Verordnung fiebersenkender Medikamente ist mit Skepsis zu betrachten.
Thema Fieber
Fieber ist ein grundlegender Selbstheilungsmechanismus des Körpers. Die im Rahmen eines aktiven Regulationsprozesses erhöhte Körpertemperatur versetzt einerseits das zum Kampf gegen Krankheitserreger “angetretene” Immunsystem in erhöhte Aktivität, andererseits werden viele Viren bereits durch Temperaturen um 39 Grad direkt geschädigt. Die immer noch weit verbreitete Auffassung, Fieber sei ein grundsätzlich zu bekämpfendes Krankheitssymptom, ist daher nicht berechtigt und potentiell sogar gefährlich. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen mittlerweile, wie kontraproduktiv das aggressive Unterbinden erhöhter Körpertemperaturen wirkt. Fieber ist – zumindest bis 41 Grad – die denkbar sinnvollste, vernünftigste Therapie einer Virusinfektion.
Im Fall von Röteln kann fast immer auf fiebersenkende Mittel verzichtet werden, da in ihrem Verlauf fast ausnahmslos Körpertemperaturen von 39 Grad nicht überschritten werden. Je ungestörter die Auseinandersetzung des Organismus mit dem Krankheitserreger bleibt, desto nachhaltiger wird die Krankheit überwunden.
Naturheilkundliche Therapie
Der Kinderarzt Dr. Scheel schreibt: "Röteln sind normalerweise für die daran erkrankten Kinder und die allermeisten Erwachsenen völlig harmlos. Symptomatisch sind typische Hautveränderungen und diagnoseweisende Lymphknotenschwellungen am Nacken. Eine Therapie ist normalerweise nicht erforderlich. Im Krankheitszustand sollten Sie besonders auf einen positiven Umgang mit sich selbst achten. Dazu gehören Bettruhe, Ernährung und Darmentlastung, Atmung, Durchblutung, Lymphfluss und auch die Lebenseinstellung (Vorfreude, Dankbarkeit …)."
Ein Kind mit Röteln sollte zu Hause bleiben und ausruhen. Strenge Bettruhe ist nicht in jedem Fall nötig, kann bei den weniger leichten Verlaufsformen allerdings doch angezeigt sein. Nur bei länger anhaltendem Fieber, und insbesondere bei Nackensteifigkeit und Kopfschmerzen (Verdacht auf Hirnhautentzündung!) ist ein Besuch beim Kinderarzt dringend erforderlich, um schwerwiegende Erkrankungen und Komplikationen nicht zu verschleppen.
Phytotherapie bei Röteln
Die Zitronenmelisse (Melissa officinalis) ist eine Heilpflanze mit virostatischer Wirkung – die über ein bis zwei Wochen gegebene Urtinktur kann den Verlauf der Rötelnerkrankung mildern.
Darüber hinaus geht es in der Therapie in erster Linie um die Unterstützung des Immunsystems und der allgemeinen Konstitution, in zweiter Linie um Hilfe für die durch das Exanthem belastete Haut.
Zu beidem kann das ätherische Cajeput-Öl, ein naher Verwandter des Teebaumöls, beitragen. Ein paar Tropfen in der Duftlampe wirken desinfizierend und stimulieren Körper und Geist in der Auseinandersetzung mit der Krankheit. Vollbäder (eher kühl), Umschläge oder Einreibungen mit Cajeput-Öl lindern Hautirritationen und Juckreiz, wie er vor allem in der Abheilphase des Exanthems auftreten kann. Für ein Vollbad drei Esslöffel Honig mit sechs Tropfen ätherischen Öls mischen und ins Wasser einrühren, für die Einreibung drei Tropfen ätherisches Öl pro sechs Tropfen eines fetten Basis-Öls (z.B. Avocado-Öl) verwenden. Wird das Basis-Öl bis kurz vor der Verwendung im Kühlschrank aufbewahrt, verstärkt das die juckreizstillende Wirkung.
Zur Unterstützung des Immunsystems baut die orthomolekulare Medizin auf hohe Dosen von Vitaminen und Mineralstoffen. Der Heilpraktiker Dieter Berweiler empfiehlt bei Kinderkrankheiten:
- hochdosiertes Zink (Kinderdosis 100 mg pro Tag)
- Vitamin B-Komplex
- Vitamine E und E
Ernährung
Reichlich Trinken regt die körperlichen Flüsse an und ist damit im Krankheitsfall noch wichtiger als generell. Warmer Tee, verdünnte Fruchtsäfte, zimmerwarmes stilles Wasser und Milchprodukte aus dem Bioladen sind je nach persönlicher Präferenz gleichermaßen zu empfehlen.
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) verwendet bei den mit Fieber einhergehenden Infektionskrankheiten, sogenannten Wind-Hitze-Erkrankungen, Sanddorn als hoch wirksames Allgemeintonikum. Sanddornbeeren enthalten eine Fülle bioaktiver Inhaltsstoffe (Vitamin C, Folsäure, Biotin, Flavonoide, essentielle Aminosäuren, ungesättigte Fettsäuren, Zink, Kalzium, Kalium, Magnesium und Kupfer), was Sanddornsaft aus biologisch-dynamischem Anbau zu einem echten Heilungsbeschleuniger macht. Und auch äußerlich unterstützen Sanddornölzubereitungen als Hautöle, Cremes oder Salben das Abheilen des Hautausschlages.
Darüber hinaus gelten die allgemeinen Ernährungsempfehlungen bei Infektionskrankheiten: Leichte, vitalstoffreiche Kost, bei der die ausgewogene und reichliche Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen (Vitamine A, Vitamin B-Komplex, Vitamin C und E sowie Zink) im Idealfall über frisches Obst, Gemüse und Milchprodukte gesichert wird.
Psychosomatik
Der Psychosomatiker Rüdiger Dahlke versteht die Röteln wie alle klassischen Kinderkrankheiten als “Auftakt” zu einem Entwicklungsschritt. Etwas Neues, gegen das sich das Innere noch sperrt, sprengt zunächst die äußeren Grenzen des Körpers und bricht sich über die Haut Bahn. Die Arbeit an diesem Thema ist für das Kind innerlich fordernd – und benötigt deshalb äußere Ruhe.
Nach Rudolf Steiner schafft sich das Ich im ersten Lebensjahrsiebt den ihm entsprechenden physischen Körper. Kinderkrankheiten sind in diesem Prozess kein verzichtbarer Zufall, sondern spielen eine tragende Rolle. Steiner sieht Röteln, Masern und andere Erkrankungen als definierende Krisen in der Auseinandersetzung des Ichs mit den von den Eltern geerbten körperlichen Anlagen. Diese Krisen können, abhängig von den individuellen Voraussetzungen, mehr oder weniger heftig sein. In jeder Kinderkrankheit werden Aspekte des Körpers vom Ich “erobert” und durchgeformt – ein Risiko, aber auch eine Chance für Entwicklung und künftige Gesundheit.
Chance versus Risiko ... Das Risiko ist im Fall von Röteln, Scharlach oder Windpocken so beschaffen, dass es von einem normal entwickelten und gut ernährten Kind ohne Weiteres bewältigt werden kann: Ein Plädoyer dafür, diese Kinderkrankheiten nicht gedankenlos wegzuimpfen.