Immer mehr Verbraucher glauben an das Werbeversprechen großer Lebensmittelhersteller, dass probiotische Lebensmittel, allen voran Joghurt, die Abwehrkräfte stärken und die Verdauung regulieren. Wer einmal am Tag einen probiotischen Joghurt ist, schützt sich vor Erkältungen und Verdauungsstörungen? Was ist dran an den vermeintlichen Versprechungen?
Milchsäurebakterien - die neuen Retter?
Dass gesäuerte Milchprodukte dem Darm und somit der Gesundheit förderlich sind, ist als solches lange bekannt. Schon unsere Urgroßeltern wussten um die Wirkung von milchsauer Vergorenem und um die dadurch mögliche Konservierung von Milchprodukten wie Joghurt, Kefir und Buttermilch. Dass wir die positiven Effekte in erster Linie den Milchsäurebakterien zu verdanken haben ist hingegen relativ neu.
Diese Erkenntnis haben sich die Hersteller von Sauermilchprodukten zu Nutze gemacht. Seit Jahren schon gelten probiotische Lebensmittel als Verkaufsschlager. Die Nachfrage steigt nicht nur in Europa und Asien seit Jahren an, auch Amerika zieht nach bringt von Jahr zu Jahr mehr probiotische Lebensmittel auf den Markt. Dabei sind die Versprechen der Hersteller eher vage. Sie versuchen die Kunden mit Slogans wie „kräftigt das Immunsystem“ oder „fördert die Verdauung“ zu gewinnen.
Manche Experten halten solche Probiotika teilweise wirklich für sinnvoll. Zumindest ist man landläufig der Meinung, dass sie zumindest keinen Schaden anrichten. Wissenschaftliche Überprüfungen und Forschungsergebnisse gibt es hingegen wenige.
Was versteht man unter Probiotika und Präbiotika genau?
Probiotika enthalten so genannte „gute Bakterien“. Probiotische Lebensmittel enthalten lebende Milchsäurebakterien, welche sich günstig auf die menschliche Darmflora auswirken. Sie können ungehindert durch die Magen-Dünndarmpassage bis in den Dickdarm gelangen, wo sie, geschützt vor pH-Wert-Schwankungen und Verdauungsenzymen, kurzfristig die Dickdarmschleimhaut besiedeln und die Darmflora positiv beeinflussen können.
Präbiotika sind relativ neu auf dem Markt. Sie enthalten Nährstoffe, die die Vermehrung der förderlichen Darmbakterien anregen sollen. Auch sie entziehen sich der Verdauung durch die Magensäure und gelangen ebenfalls in den Dickdarm, wo sie die Darmflora mikrobiologisch positiv beeinflussen sollen.
Ist die Darmflora gesund, können Krankheitserreger und Pilze besser bekämpft werden. Immerhin sitzen zwei Drittel aller Immunzellen unseres Körpers im Darm. Wenn wir mit Probiotika unsere Darmflora verändern können, würde das bedeuten, dass wir zwei Drittel unseres Immunsystems beeinflussen könnten. (Quelle: www.swr.de)
Sind gesundheitsfördernde Wirkungen von Probiotika nachweisbar?
Probiotische Bakterien, so die Wissenschaftler der Universität Hohenheim, haben einen positiven Effekt, weil sie die Immunzellen im Darm stimulieren. "Was man sagen kann: sie wirken. Wobei man genau sagen muss, bestimmte Stämme wirken auf bestimmte Ereignisse. Aber immerhin, das ist schon ein ganz großer Fortschritt, dass wir einen wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis haben für bestimmte Stämme," fasst Prof. Bischoff zusammen. "Jetzt ist die Frage: wie wirkt es? Und das ist eine ganz schwierige Frage. Da sind wir noch sehr in den Anfängen. (Quelle: www.swr.de)
Der gesundheitsfördernde Nutzen von probiotischen Lebensmitteln ist mittels Studien schwierig nachzuweisen, da es so viele Störfaktoren zu berücksichtigen gibt. So müssten z.B. das gesamte Essverhalten, die Lebensgewohnheiten, sportliche Aktivitäten und Fitness der Testpersonen über Jahre hinweg mit registriert und berücksichtigt werden. Das macht derartige Langzeitstudien sehr aufwendig. Und Langzeitstudien braucht man, da sich die Wirkung probiotischer Mittel erst über einen Zeitraum von mehreren Monaten überhaupt auswirken kann.
Ein weiteres Probleme ist: Die Vielzahl der bakteriellen Stämme ist sehr groß. Jeder Stamm hat andere Auswirkungen. Man kann daher bei einem positiven Einfluss eines getesteten Bakterienstammes nicht auf einen eben so positiven Einfluss eines anderen Stammes schließen.
Das erklärt auch, warum es bisher nur wenige wissenschaftliche Studien zu den einzelnen Probiotika gibt. Das ändert sich jedoch. Weltweit sind inzwischen etliche Studien ins Rollen gekommen, die die Verdauungsbakterien näher untersuchen wollen.
Eine kanadische Studie ergab im November 2007, dass fermentierte Milch mit Lactobacillus der Arten acidophilus und caseii verhindert, dass Patienten bei der Einnahme von Antibiotika Durchfall bekommen. Laut einer finnischen Studie fördert ein Hafergetränk mit Bifidobacterium lactis die Verdauung von Senioren in Pflegeheimen. Kalifornische Forscher untersuchen, ob Probiotika allergische Hautreaktionen bei Babys lindern und israelische Wissenschaftler studieren die Wirkung von Probiotika bei Lebererkrankungen. (Quelle Stuttgarter Nchrichten)
Von großem Interesse für die Mediziner scheint der Einfluss von Probiotika auf das Erkrankungsrisiko von älteren Patienten in Krankenhäusern zu sein, wo die Infektanfälligkeit besonders hoch ist.
Hier will eine Ende 2007 veröffentlichte Studie der Actimel GmbH im British Medical Journal ergeben haben, dass bei den Studienteilnehmern, die zwei Mal täglich Actimel tranken, keine Clostirdium- difficile-Keime nachgewiesen werden konnten, während die Teilnehmer, die einen Placebo-Drink erhielten, keine dieser Keime beherbergten. (Quelle presseecho.de)
Es tut sich also was. Das Interesse an der Darmflora bezüglich unserer Gesundheit und Gesunderhaltung scheint zu zunehmen, wenn auch oft mit wirtschaftlichen Interessen im Hintergrund. Die konkreten Ergebnisse bleiben noch abzuwarten.
Präventiver Nutzen probiotischer Joghurts
An der Bundesforschungsanstalt in Kiel haben Wissenschaftler erstmals die Wirkung von Probiotika auf das Infektionsrisiko gesunder Testpersonen untersucht. "Wir haben während zweier Winterperioden insgesamt 500 gesunde Erwachsene untersucht. Die mussten während dieser Zeit ein Probiotikum verzehren oder ein Placebo-Produkt," erklärt Prof. Michael de Vrese die Studie. "Und wir konnten dann zeigen, dass die einzelnen Erkältungsperioden kürzer ausfielen und die Symptome weniger schwer waren bei den Personen, die das Probiotikum verzehrten." (Quelle www-swr.de)
Zu unterscheiden ist bei derartigen Studien, ob die Tests mit handelsüblichen probiotischen Joghurt durchgeführt wurden, oder wie hier, mit probiotischen Kapseln verabreicht wurden. Das gute Testergebnis lässt daher leider keine direkten Rückschlüsse auf die Wirkungsweise der zu kaufenden Joghurts zu.
Der Stand der Dinge ist wohl der: Wenngleich die wissenschaftlichen Studien noch keine eindeutigen Beweise bringen, so gibt es doch schon eine große Anzahl von Studiendaten, die aufzeigen, dass positive Effekte möglich sind. Die Antwort auf die Frage, ob deshalb jeder Verbraucher einen nutzen von probiotischen Lebensmitteln als Präventivmaßnahme hat, bleibt abzuwarten.
Die Wirtschaft will auf Resultate ohnehin nicht warten. Schon jetzt erzielen Probiotika einen Milliardenumsatz.
Ob wir Normalverbraucher diese Produkte wirklich alle brauchen? Danones Activa-Joghurt, Live-Active-Käse von Kraft ja sogar Babynahrung gibt es jetzt schon probiotisch nämlich „Good Start Natural Cultures“ von Nestle und Yo-Plus ein Joghurt von General Mills. (Quelle Stuttgarter Nachrichten)
Wer zu seiner Gesunderhaltung etwas beitragen und seinen Darm mit Milchsäurebakterien versorgen möchte, kann es jedenfalls auch mit etwas frischem Sauerkraut oder einem Glas Brottrunk jeden Tag versuchen.
Die gesundheitsfördernden Effekte sind hauptsächlich auf die in gegorenen Erzeugnissen enthaltenen Milchsäurebakterien zurückzuführen, die in großer Konzentration beispielsweise in Brottrunks enthalten sind. Neben den bedeutenden Brotmilchsäurebakterien enthält Brottrunk zahlreiche Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, die während des Gärungsprozesses aus der Basis des Brottrunks – Bio-Sauerteigbrot – herausgelöst werden. ARD-Gesundheitsexperte Professor Hademar Bankhofer bezeichnet Brotmilchsäurebakterien als Elitetruppe unter den Probiotika. (Quelle: openpr.de)
Auch unabhängig von den Milchsäurebakterien sind fermentierte Milchprodukte hochwertige Lebensmittel, die wertvolle Nährstoffe wie leicht verdauliches Eiweiß, Calcium, Vitamin B12 und Milchsäure liefern. Das heißt jedoch nicht, dass sie die schädlichen Wirkungen einer fett- und eiweißreichen Ernährung auffangen können. Es kann daher sinnvoller sein bei gesundheitlichen Problemen auf Vollwert-Ernährung umzustellen, als einzelne gesundheitsfördernde Lebensmittel einzubauen. (www.ugb.de)
Schlussendlich sollte der wachsame Joghurt-Konsument darauf achten, dass er vor lauter Probiotika andere Zusatzstoffe, wie Aromastoffe, Stabilisatoren, Geschmacksverstärker, Farbstoffe und den oft gewaltigen Anteil an Zucker bei seinem Gang durchs Kühlregal nicht ganz aus den Augen verliert. Laut Vlad D. Georgescu, Autor des Buches „Die Joghurt-Lüge“ befinden sich in vielen Erdbeerjoghurts nur gepresste Reste von Erdbeerstücken, die mit Aromen versetzt und koloriert werden. Der Erdbeergeschmack wird oftmals durch einen speziellen Schimmelpilz erzeugt. Na dann guten Appetit! (Quelle: www3.ndr.de)
Quellenangaben
- SWR: "Probiotische Joghurts"
- NDR: "Die Joghurt-Lüge"
- http://openpr.de/news/124762/Das-Praeventionsprinzip-Probiotik-Bakterien-vermeiden-Krankheiten.html
- www.presseecho.de
- Probiotische Milchprodukte: Neues aus dem Kühlregal
- Artikel in den Stuttgarter Nachrichten, 23.01.2008