Hätten Sie gedacht, dass Parodontitis bei Über-45-Jährigen die Hauptursache für Zahnverlust ist? Zugleich bedroht sie nicht nur die Zähne, sondern auch unsere Gesundheit insgesamt. Der erfahrene Zahnarzt Dr. med. dent. Heinz-Peter Olbertz berichtet über vielversprechende Studienergenisse zur ganzheitlichen Parodontitis-Therapie mit Mikronährstoffen und Darmbakterien.
Paradontitis betrifft den ganzen Körper
Anders als die meisten glauben, betrifft eine Parodontitis keineswegs nur den Mund, sondern stets den ganzen Organismus. Solange unser Körper gesund ist, ist er in der Lage, die Bakterien im Mund in Schach zu halten. Anders beim geschwächten Organismus mit einer stillen Entzündung (Silent Inflammation) im ganzen Körper: Hier kommt es zur Parodontitis. Hinter der Parodontitis steht also ein Abwehrproblem. In einer Studie hat der ganzheitliche Zahnarzt Dr. med. dent. Heinz-Peter Olbertz untersucht, inwieweit Parodontitis-Patienten in ihrer körpereigenen Regulation gestört sind und welchen Beitrag eine Kombination aus Mikronährstoffen (orthomolekulare Medizin) und Darmbakterien zur Verbesserung der Regulation leisten kann.
Die chronische Parodontitis
75 % der Bevölkerung in Deutschland leiden unter Erkrankungen des Zahnhalteapparates, insbesondere unter chronischer Parodontitis. Parodontitis ist eine bakteriell bedingte Entzündung, die sich in einer weitgehend irreversiblen Zerstörung des Zahnhalteapparates (Parodontium) zeigt. „Dabei handelt es sich hier um eine unterschätzte Gefahr, denn eine Studie aus den USA hat gezeigt, dass die Akkumulation von Bakterien, speziell in der Mundhöhle, die primäre Ursache von pathologischen Einflüssen auf andere Organsysteme darstellt. (Oral Health, 2000). Als wissenschaftlich gesichert gilt heute, dass zwischen Herzinfarkt, Schlaganfall und Alzheimer und parodontalen Erkrankungen ein Zusammenhang besteht. Bei einer Studie aus den 1990er-Jahren in der Schweiz (800 Parodontitisfälle, vier Universitätskliniken und 80 Parodontologen) über die parodontale Tasche [Red.: in der sich dann dauerhaft Bakterien ansiedeln können] wurde nachgewiesen, dass es fünf parodontale Typen von Taschen gibt, welche unterschiedlich zu therapieren sind. Für drei Typen genügt eine Kürettage [Red.: Beseitigung der harten und weichen Beläge unterhalb des Zahnfleischrandes] bei den zwei anderen muss zusätzlich Antibiotika verabreicht werden. Das sind immerhin 50 % aller Fälle, die durch die Besiedlung mit anaeroben Keimen mit Taschenbildung und Knochenabbau reagieren. Bei den drei anderen Gruppen ist das spezifische Immunsystem offensichtlich in der Lage, die schädlichen Bakterien auszuschalten. Die Antwort der Zahnschulmedizin auf diese unterschiedlichen Reaktionen des Immunsystems lautet, dass es sich hierbei um eine Wirtsreaktivität handelt.“
Warum das Immunsystem einmal in der Lage ist, Bakterien (nach mechanischer Behandlung) in Schach zu halten und einmal nicht, wurde dabei nicht klar. Wichtig ist offensichtlich, welche Bakteriengruppen miteinander vergesellschaftet sind, denn die Keimkombination entscheidet über den krankmachenden Faktor. Der einzelne Keim für sich genommen hat nämlich kein großes pathogenes, d.h. krankmachendes, Potenzial. Ziel des Patienten und der zahnärztlichen Behandlung sollte sein, ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Bakterienangriffen (die es in der Mundhöhle immer gibt; 74 % der Patienten hatten z.B. gemischte Taschentypen) und der körpereigenen Immunabwehr des Wirtsorganismus herzustellen und im besten Falle so, dass zumindest Antibiotika nicht mehr eingesetzt werden müssen und auf Dauer keine Entzündung mehr vorhanden ist.
Parodontitis als Ausdruck einer gestörten Regulationsfähigkeit
„Meine Überzeugung ist, dass sich die Parodontitis erst auf einer gestörten Regulationsfähigkeit aufbauen kann und die Mundhöhle der Spiegel von Gesundheit oder Krankheit ist!“, so Olbertz.
Hier spricht Olbertz die Grundregulation nach Pischinger an, nach der alle Erkrankungen auf der Störung des Grundsystems Bindegewebe basieren. Gefäße, offene Lymphbahnen, Bindegewebszelle und extrazelluläre Flüssigkeit bilden die Grundsubstanz. Ist das System gestört, erkrankt der Mensch, so der Kern der Theorie. Ein anderer wichtiger Vordenker ist für ihn Claude Bernhard, der die Bedeutung des Milieus betont hat.
„Seit den 1950er-Jahren [...] klagen Therapeuten über die Effektivität ihrer Methoden, seien es die Neuraltherapeuten oder Homöopathen u.a.“, so Olbertz. Er kommt zu dem Schluss, dass Therapien nicht wirken können, wenn die Grundregulation gestört ist. Warum aber ist die Grundregulation gestört? Als mögliche Ursachen wurden unter anderem so genannte Herde diskutiert, die als Störfelder wirken. Das können Zähne, Narben, der Darm, Nasennebenhöhlen usw. sein.
Heute wissen wir, dass das nur ein Teil der Wahrheit ist. Letztendlich ist eine Parodontitis Ausdruck einer stillen, unterschwelligen Entzündung (Silent Inflammation) im ganzen Körper. Das erklärt auch, warum Parodontitis-Patienten häufiger an Diabetes, Schlaganfall oder Alzheimer erkranken. Wichtige Risikofaktoren sind Ernährungsdefizite und psychsozialer Stress. Gemeinsam führen sie dazu, dass das immunologische Gleichgewicht gestört wird und krankmachende Bakterien die Oberhand gewinnen können. Das erkärt auch, warum eine noch so gute Zahnpflege nur bedingt vor Parodontitis schützt.
„Das Entzündungsgeschehen bei Parodontitis-Patienten ist Folge eines Nährstoffmangels,
der sich in der Regel über viele Jahre aufgebaut hat:“
Dr. med. dent. Heinz-Peter Olbertz
Die Parodontitis-Studie
Worum genau geht es bei der Studie? Dazu Olbertz: „Bei der Grazer Parodontitis-Studie, die 2005 von den Statistikern der Universität Graz durchgeführt wurde, hat mich deshalb interessiert, ob Patienten mit chronischer Parodontitis [...] durch Regulationsstörungen auffielen." In die Studie aufgenommen wurden Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Parodontitis, ausgeschlossen wurden dabei starke Raucher und Patienten mit Stoffwechselerkrankungen. Als Kontrollgruppe dienten 25 Personen, die keine Zeichen einer Parodontitis zeigten. "Außerdem sollte geklärt werden, ob eine orthomolekulare Nahrungsergänzung als Therapie der Regulationsstörung in Frage kommt. Anhand der TCM wurden sieben Untergruppen bestimmter Meridiane gebildet, die über ein kinesiologisches Organscreening ausgewählt wurden, um das Regulationsverhalten beider Testgruppen zu untersuchen. Das waren z.B. Herz/Dünndarm, Leber/Galle, Lunge/Dickdarm u.a.", so Olbertz.
All diese Meridiane werden bestimmten Zähnen zugeordnet. Das Schema der systemischen Zusammenhänge (Wechselbeziehungen) zwischen Zahn-Mund-Kiefergebiet und dem übrigen Organismus (sog. Zahnschema) wurde von Voll und Kramer auf der Basis der Akupunktur-Meridian-Lehre erarbeitet.
In der Studie wurden anhand der Screenings beide Gruppen miteinander verglichen. Man testete einmal vor und einmal nach der gezielten Zufuhr von Nahrungsergänzungsmitteln, wobei nur die Parodontitis-Gruppe die Mikronährstoffe erhielt.
Orthomolekulare Medizin – Welche Mikronährstoffe wurden eingesetzt?
Den Therapie-Ansatz erklärt Olbertz wie folgt: „Bei der Parodontitis-Gruppe wurde zuerst eine vierwöchige Basistherapie der Darmsanierung mit Lachsöl (plus Vitamin E), Spurenelemente, Magnesium und Calcium durchgeführt. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass das Verhältnis zwischen Omega-6-Fettsäuren und Omega-3-Fettsäuren in der konventionellen Ernährung zugunsten der Omega-6-Fettsäuren verschoben ist, und zwar 20: 1. Durch die erhöhte Zufuhr von Lachsöl sollte dies ausgeglichen werden.“
Eine solche Verschiebung zwischen Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren wird als ungünstig betrachtet, da sie bestimmten Entzündungsprozessen Vorschub leisten kann.
Omega-3-Fettsäuren kann der Körper nicht selbst herstellen, sie müssen deshalb über die Nahrung zugeführt bzw. substituiert werden, z.B. über Kaltwasserfische oder Pflanzenöle, wie Leinöl oder Walnussöl. Diesen Fettsäuren werden gesundheitliche Wirkungen zugeschrieben, wie Blutdrucksenkung, Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes, Einwirkungen auf das Zentralnervensystem usw. Omega-6-Fettsäuren kommen in Distelöl und Sonnenblumenöl vor.
„Danach folgten vier Wochen Nahrungsergänzung mit Schwarzkümmelöl und verschiedenen nützlichen Symbionten (Darmbakterien) mit Magnesium und Calcium und in den abschließenden vier Wochen wurde wieder Lachsöl mit Schwarzkümmelöl, Darmbakterien und Magnesium und Calcium zugeführt.“, so Olbertz.
Ergebnis der Parodontitis-Studie
Die Studienergebnisse fasst Olbertz wie folgt zusammen: „Das Ergebnis dieser Untersuchung war, dass die Regulationsfähigkeit der Parodontitis-Gruppe nicht nur gestört war, (nachweisbar anhand der Screenings), sondern, dass sie sich durch die Substitution verbesserte und nach drei Monaten der Regulationsfähigkeit der Kontrollgruppe anglich!
Die Schlussfolgerung lautet, dass die chronische Parodontitis ein Ausdruck massiver Regulationsstörung ist. Wir brauchen also die Symbioselenkung [Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Darmflora], um die Gefahr zu umgehen, dass das Symptom - in dem Fall die Parodontitis, mit der Krankheit - die gestörte Regulationsfähigkeit, gleichgesetzt wird. In vielen Fällen reicht eine örtliche Therapie am Zahn allein nicht aus, sondern womöglich brauchen einige Menschen die ständige Substitution mit Nahrungsergänzungsmitteln. Wobei die Orthomolekulare Substitutionstherapie in die Parodontitisprophylaxe und -therapie eingebunden sein muss. Die chronische Parodontitis ist also ein Frühsymptom im regulationsmedizinischen Verständnis von Krankheitsentstehung und ein ausgeprägter Mangel an orthomolekularen Substanzen.“
Ein weiterer Aspekt, der sich bereits in Olbertz Studie abzeichnete, inzwischen aber deutlich besser verstanden wird, ist die Bedeutung des Dünndarms. Heute wissen wir: Fehlernährung mit Zusatzstoffen, Transfetten, Mangel an Omega-3-Fettsäuren und Stress stören das Gleichgewicht im Darm. Für eine intakte Darmbarriere wichtige Bakterien werden von schädlichen Bakterien zurückgedrängt. Es kommt zur Fehlbesiedelung (Dysbiose) im Darm und zum "löchrigen" bzw. "undichten" Darm (Leaky gut). Durch die so geschädigte Darmbarriere können unerwünschte Stoffe aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangen. Langfristig führt das zu einer Zunahme von Allergien und Entzündungsstoffen im ganzen Körper – auch im Mund. Hieraus erklärt sich auch, warum eine Parodontitis oft gemeinsam mit entzündlichen Erkrankungen wie Diabetes oder Arteriosklerose auftritt.
Entsprechend wichtig sind eine gesunde Ernährung und die Zufuhr von Vitalstoffen in Kombination mit lebensfähigen Symbionten im Sinne einer integrativen Parodontitis-Therapie.
Literatur- und Linktipps
- Volkmann, Peter Hansen: Ökosystem Mensch – Gesundheit ist möglich, VBN-Verlag, Lübeck 2009
- Volkmann, Peter Hansen: Darm gesund – Mensch gesund. Ganz einfach! VBN-Verlag, Lübeck 2. Aufl. 2019
Quellenangaben
- Der Beitrag basiert unter anderem auf einem Vortrag von Dr. med. dent. Heinz-Peter Olbertz bei der 40. Medizinischen Woche in Baden-Baden
- 4. Deutsche Mundgesundheitsstudie, DMS IV, Köln 2006
- Beck, J.; Garcia, R.; Heiss, G.; Vokonas, P.S.; Offenbacher, S.: Periodontal disease and cardiovascular disease. J. Periodontol, 67 (10): 1123-1137, 1996
- Gätke, D.; Kocher, T.: Study of Health in Pomerania (SHIP) – eine Gesundheitsstudie in Ostdeutschland. Risikofaktoren für Parodontitis und Parodontitis als Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Prophylaxe Dialog, 2/2007-1/2008: 7-8
- Kocher, T.; Griewing, B.; Lösche, W.: Parodontitis marginalis und kardiovaskuläre Erkrankungen. Dtsch Ärztebl 1999; 96 (42): A-2678/B-2283/C-2146
- Olbertz, H.-P.: Orthomolekulare Substitution bei Parodontitis und Regulationsstörungen, Grazer Parodontose-Studie 2005, Verlegerbeilage zur Zeitschrift OM - Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin, Ausgabe 1, 2006, Hippokrates Verlag MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG
- Oral Health in America: A report of the Surgeon General, Executive Summary, Department of Health and Human Services, 2000
- Scannapieco, F.A.; Bush, R.B.; Paju, S.: Periodontal disease as a risk factor for adverse pregnancy outcomes. A systematic review. Ann Periodontol 2003; 8(1): 70-78
- Volkmann, Peter Hansen: Ökosystem Mensch – Gesundheit ist möglich, VBN-Verlag, Lübeck 2009
- Volkmann, Peter Hansen: Ökosystem Mensch – Gesundheit ist möglich. Parodontose - ganzheitlich integrativ! Broschüre mit Vortrags-DVD, VBN-Verlag, Lübeck
- Olbertz, H.-P.: Orthomolekulare Substitution bei Parodontitis und Regulationsstörungen - eine monozentrische Reproduzierbarkeitsstudie. Thesis zur Erlangung des Grades Master of Science am Interuniversitären Kolleg für Gesundheit und Entwicklung, Graz 2005
- Verlegerbeilage zur Zeitschrift OM – Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin, Ausgabe 1, 2006, Hippokrates Verlag MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG
- Babs, am 21.04.2024Hallo.
Welche Substitution können Sie empfehlen?
Ich würde es gerne ausprobieren.
Gibt es Marken die Sie empfehlen?
Lieben Dank schon mal im voraus.
Liebe Grüße Babs- Online-Redaktion, am 03.06.2024Liebe Babs,
auf Basis der angesprochenen Studie wurde das Produkt Itis-Protect entwickelt. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter https://itis-protect.de/
Mit den besten Wünschen für Ihre Gesundheit grüßt Sie
Ihre Online-Redaktion
- andreas stecker, am 03.08.2018Vielen Dank für den interessanten Artikel über Parodontologie. Ich finde das Thema sehr spannend und habe im Internet auch schon einige gute Seiten gefunden.