Übergewicht und Stress sind schlecht fürs Herz 

20.09.2012, Abteilung Kommunikation, Schweizerischer Nationalfonds SNF

Fettgewebe sondert Hormone ab

Die mit den psychoaktiven Substanzen der Cannabis-Pflanze verwandten körpereigenen Botenstoffe – die Endocannabinoide – wirken nicht nur im Hirn, sie begünstigen die Entwicklung von Herzinfarkten. Zu diesem Schluss gelangt eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Studie.

Übergewicht wird in den Industrieländern zunehmend zur Volkskrankheit. Heute schon schleppt knapp ein Drittel der Menschen zu viele Kilos mit sich herum, Tendenz steigend. Wenn sich diese Personen zudem wenig bewegen und etwa beruflich unter starkem Stress stehen, riskieren sie eher, einen Herzinfarkt zu erleiden, wie schon länger bekannt ist. Doch nun haben Forschende und Ärzte um Thomas Schindler vom Universitätsspital Genf die molekularen Grundlagen dieses Zusammenhangs zu Tage gefördert: Die Hauptrolle spielen dabei das Fettgewebe – und die Botenstoffe, die es unter Stress vermehrt freisetzt.

Beschränkter Blutfluss
Diese Hormone heissen Endocannabinoide. Sie gleichen chemisch gesehen den psychoaktiven Substanzen der Cannabis-Pflanze und docken an die gleichen Schaltstellen oder Rezeptoren an, die es nicht nur im Hirn, sondern auch an den Wänden der Blutgefässe gibt. In den Herzkranzgefässen beschränken sie die Elastizität der Wände, vermindern so die funktionelle Weitstellung und somit den maximalen Blutfluss in den Herzmuskel, wie Schindler mit seinen Kolleginnen und Kollegen in einer klinischen Studie mit 111 normal- und übergewichtigen Teilnehmenden aufzeigen konnte.
Die kürzlich publizierten Resultate (*): Je grösser das auf die Körpergrösse bezogene Gewicht, der sogenannte Body-Mass-Index, desto höher waren die im Blut gemessenen Endocannabinoid-Spiegel und desto niedriger war der maximale Blutfluss ins Herz. «Eine verminderte funktionelle Weitstellung der Herzgefässe wird als eine Vorstufe zur Entwicklung einer koronaren Herzerkrankung gesehen, die zu einem Herzinfarkt oder im schlimmsten Fall zum Herztod führen kann», sagt Schindler. Zu empfehlen sei deshalb, was diese Wirkungskette unterbrechen könne: regelmässige Bewegung, welche die Fettpolster verkleinere und weniger Stress im Alltag, was die Endocannaboid-Freisetzung reduziere.

Neue Medikamente dringend nötig
Ausserdem biete der nun aufgedeckte Wirkmechanismus einen möglichen Ansatzpunkt für neue herzschützende Medikamente, sagt Schindler. Nun könne man nach Substanzen suchen, welche die negativen Wirkungen der Endocannabinoide an der Gefässwand neutralisieren könnten. «Weil ungefähr 60 Prozent der Personen mit einer koronaren Herzerkrankung trotz optimaler präventiver Therapie schliesslich einen Herzinfarkt erleiden, sind neue Medikamente dringend nötig», sagt Schindler.

(*) Alessandra Quercioli, Zoltan Pataky, Fabrizio Montecucco, Sebastian Carballo, Aurélien Thomas, Christian Staub, Vincenzo Di Marzo, Gabriella Vincenti, Giuseppe Ambrosio, Osman Ratib, Alain Golay, François Mach, Elisabetta Harsch and Thomas H. Schindler (2012). Coronary Vasomotor Control in Obesity and Morbid Obesity.
JACC: Cardiovascular Imaging 5: 805-812
(als PDF beim SNF erhältlich; E-Mail: com@snf.ch)

Kontakt
PD Dr. med. Thomas Schindler
Abteilung Kardiologie, Universitätsspital Genf (HUG)
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4
CH-1211 Genève 14
Tel.: +41 22 372 71 96
E-Mail: thomas.schindler@hcuge.ch

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