Zumindest eine kleine, unerfreuliche Gemeinsamkeit haben Mensch und Auster: Das Norovirus kann in beiden sitzen – wobei unbekannt ist, ob Austern genauso heftig an den Folgen des Virus leiden wie Menschen. Bei Letzteren löst das Norovirus starke Übelkeit, schwallartiges Erbrechen, Bauchkrämpfe, Durchfälle und Kreislaufbeschwerden aus.
Infektionen mit dem Norovirus sind überaus unangenehm und hoch ansteckend. Hochkonjunktur haben Infektionen mit dem Norovirus, die mit starkem Durchfall und Brechreiz einhergehen, vor allem in den Wintermonaten. So zum Beispiel 2008, als dem Robert-Koch-Institut bis zum 6. Februar über 130.000 Fälle gemeldet wurden. Damit hat das Noro-Virus sogar die Salmonellen als häufigsten Erreger von Magen-Darm-Erkrankungen abgelöst. Grund genug für uns einmal mit dem Kinderarzt Dr. Scheel über dieses überaus unangenehme Virus zu sprechen.
Dr. med. Wolfgang Scheel, Kinderarzt mit naturheilkundlichem Hintergrund aus Steinheim an der Murr, hat uns einige Fragen beantwortet.
Trügt der Eindruck oder hört man tatsächlich erst seit einigen Jahren vom Norovirus? Ist das ein neues Virus oder konnte man es früher einfach nicht nachweisen?
W.S.: Schon 1968 wurde der Prototyp der Gattung Norovirus, das Norwalk-Virus, in Stuhlproben in Norwalk, Ohio, nachgewiesen. 1972 konnte es dann durch die Immunelektronenmikroskopie morphologisch charakterisiert werden. Leider ist der Nachweis des Virus noch heute teuer und aufwendig. Deswegen kann man auch über eine Zunahme von Erkrankungen nichts wirklich Sicheres sagen. Denn die Frage ist zum Einen, ob heute mehr Menschen mit Brechdurchfall zum Arzt gehen und zum anderen, wie viele die Krankheit stillschweigend und still-leidend zu Hause überstehen. Die Dunkelziffer ist auf jeden Fall sehr hoch.
Gibt es Krankheiten mit ähnlichen Symptomen und ist es für die Erkrankten wichtig, den Erreger zu kennen bzw. zu unterscheiden?
W.S.: Magen-Darm-Symptome werden durch die unterschiedlichsten Erreger verursacht, wie etwa Rota-, Adeno- oder Coronaviren, aber auch durch Bakterien wie Salmonellen, Shigellen, Yersinien und schließlich auch noch durch Protozoen wie etwa Amöben und Lamblien. Im Grunde ist die Therapie dennoch immer ähnlich: Der Organismus sollte entlastet und entgiftet werden und der Wasser-, Elektrolyt-, Säure- und Basenhaushalt reguliert werden.
Außerdem sollte man versuchen, seine geistig-seelische Situation zu verbessern und die eigentliche Krankheitsursache, die häufig komplex ist, abzustellen. Eine Therapie hängt natürlich immer stark vom Standpunkt und der Sichtweise eines Kranken seinem Körper gegenüber ab. Es gibt Menschen, die sofort zur chemisch-pharmazeutischen Keule greifen und vom Arzt die Verschreibung von Antibiotika und anderen Medikamenten erwarten. Und es gibt Menschen, die den Selbstheilungskräften ihres Körpers vertrauen und mit einfacheren Mitteln gegen eine Erkrankung kämpfen.
Sollte man bei Verdacht auf eine Infektion mit dem Norovirus unbedingt zum Arzt gehen oder kann man sich auch selbst kurieren? Und was kann man tun außer sich Bettruhe gönnen, „abwarten und Tee trinken“?
W.S.: Wer die Symptome nicht innerhalb einer angemessenen Zeit in den Griff bekommt, sollte immer zum Arzt gehen. Bei Säuglingen und Kleinkindern muss man vor allem darauf achten, dass der Wasser- und Elektrolythaushalt wegen des großen Flüssigkeitsverlusts durch den Durchfall nicht aus dem Lot kommt. Wer unsicher ist, kann durch den sogenannten „Turgor“, eine Art Hautbeschaffenheits-Test, recht gut beurteilen, wie es um den Wasserhaushalt bestellt ist: Man hebt dabei z.B. am Bauch eine Hautfalte. Bei Wasserverlust sinkt der Turgor und die Hautfalte bleibt länger bestehen als sie es bei gesundem Flüssigkeitshaushalt tun würde. Die Haut ist durch den Flüssigkeitsmangel schlicht nicht so prall wie sonst. Wer sich unsicher ist, sollte auf jeden Fall zum Arzt gehen.
Die Therapie der Wahl beinhaltet also immer, dass viel, aber langsam, eventuell sogar teelöffelweise getrunken wird: am besten kohlensäurearmes Heilwasser oder Tees, die nur ganz kurz ziehen sollten Der Elektrolythaushalt kann durch einfaches Kochsalz, aber auch basica oder Neukönigförder Mineraltabletten reguliert werden.
Weil dem Körper durch die meist stark eingeschränkte Nahrungsaufnahme wenig Energie zugeführt wird, kann man sich mit Traubenzucker behelfen. Dieser wird auch von einer belasteten Magen-Darmschleimhaut gut resorbiert. Oder man nimmt gleich ein Traubenzucker-Elektrolytgemisch zu sich, das es fertig zu kaufen gibt.
Durch die funktionelle Störung des Magen-Darm-Bereichs kann es zu einer Übersäuerung des Organismus kommen, den man auch am sauren Geruch von Stuhl, Urin, Haut und Atemluft erkennen kann. Wem es nicht ausreicht, die Krankheit und den Mundgeruch intensiv und bewusst „auszuatmen“, der kann zusätzliche Abhilfe durch die Einnahme von Kaiser-Natron oder Ähnlichem schaffen.
Dem Körper schadet es überhaupt nicht, wenn man ein paar Tage lang keine feste Nahrung zu sich nimmt. Im Gegenteil: Je länger die zarte und gereizte Magen-Darm-Schleimhaut mechanisch entlastet wird, umso schneller kann sie sich regenerieren. Von den üblichen Tipps, Salzstangen, Cola und Zwieback zu sich zu nehmen, halte ich nichts. Besser sind Reisschleim, leichte Gemüsebrühen ohne Gewürze, Wasserkartoffelbrei oder-suppe oder auch geriebene Äpfel und Bananen.
Nux-vomica kann man als generelles Magen-Darm-Mittel nennen oder auch Arsenicum album, das bei einer toxischen Stoffwechselentgleisung hilft.
Eine toxische Stoffwechselentgleisung zeigt sich etwa durch starken Mundgeruch infolge der massiven Übersäuerung, durch eine braun oder weiß belegte Zunge, einen Lymphstau, den man an den Schwimmhäuten zwischen den Fingern und Zehen tasten kann, durch Augenränder, geschwollene Unterlider,
Rücken- oder Bauchschmerzen, Kreislaufprobleme, Hörstörungen, Hautgeruch, aber auch Kopfschmerzen.
Es gibt auch biologische Präparate, die den Brechreiz mildern: Vomitusheel, Nux vomica, Veratrum album, Okoubaka.
Je nach Fall und Symptomen kann auch ein Wiederaufbau der Darmflora durch"Symbioselenkung" helfen. Symbiose ist das Zusammenleben verschiedener Organismen zum gegenseitigen Vorteil. Im Darm leben etwa 100 Billionen Mikroorganismen, die man als Darmflora bezeichnet. Diese leben vom Wirtsorganismus Mensch, dessen Darm wiederum nur mit Hilfe einer intakten Darmflora gut funktionieren kann. Wenn Erkrankungen oder auch unangebrachte (antibiotische) Therapien die Darmflora belasten, kann eine Symbioselenkung helfen die gestörte Darmflora wieder aufzubauen. So gibt es „Arzneimittel“ wie Pro-Symbioflor, Symbioflor1, Symbioflor 2 usw., die die Wiederherstellung einer optimalen Darmflora unterstützen können. Natürlich ist während dieser Regeneration der Darmflora eine individuell sinnvolle Ernährung notwendig. Hier unterscheiden sich die Empfehlungen der Therapeuten allerdings sehr. Ich denke, dass jeder Mensch auch hier, wie in allen anderen Bereichen seiner Existenz seine ureigene Wahrheit hat, auf die er auch lernen sollte zu hören.
Auch sonst kann man einiges tun. Ganz wichtig ist natürlich, dass man seinem Körper das gibt, was er ganz offensichtlich verlangt, nämlich Ruhe. Achten Sie auf tiefe Atmung, die auch die Durchblutung fördert, und richten Sie Ihre Gedanken in dieser erzwungenen Auszeit auch auf den Sinn und Grund einer Krankheit. Möglicherweise erkennen Sie Fehler in Ihrer Lebensweise und können nachvollziehen, warum Ihr Körper mit Krankheit reagiert. Es gilt: Gesund kann man nur bleiben, wenn Seele, Körper und Geist im Gleichgewicht sind.
Wer sich schon ein wenig auskennt, kann durch Klopfen auf den oberen Brustbereich die Thymusdrüse, ein Organ des Lymphsystems, aktivieren, durch eine Ohrläppchenmassage die Kopf-Durchblutung verbessern und durch eine Lymphdrainage zwischen Fingern und Zehen die Zellfunktionen aktivieren.
Das Virus ist ja hochansteckend und langlebig. So sagen Experten etwa, dass schon zehn Viruspartikel zu einer Erkrankung führen können (und in einem Gramm Stuhl eines Erkrankten sind 10 Millionen Partikel). Ist man nach einer Norovirus-Erkrankung wenigstens immun?
W.S.: Schulmediziner sagen, dass es nach durchgemachter Infektion nur eine kurz dauernde Immunität zu geben scheint und danach eine Neuinfektion möglich ist. Ich würde dem hinzufügen: Der Mensch „nimmt“ sich Probleme so lange, bis der Sinn evolutionärer Entwicklung erfüllt ist.
Um sich vor einer Ansteckung zu schützen, soll man ja unbedingt hygienische Grundregeln einhalten, bzw. Menschenmassen meiden. Gibt es auch vorbeugende Medikamente oder andere vorbeugende Maßnahmen?
W.S.: Darauf habe ich eine ganz einfache Antwort: Gehen Sie entsprechend Ihrer aktuell-individuellen Wahrheit gut mit sich um! Damit meine ich: Beheben Sie so gut es geht Defizite in Ihrem Leben, Dinge, die Ihrem geistigen, seelischen, sozialen und körperlichen Wohlbefinden im Wege stehen. Achten Sie auf eine sinnvolle Balance zwischen Leistung und Regeneration, gute Ernährung, ausreichend Entspannung und Lebensfreude und schützen Sie sich vor Angst und dem Geschäft mit der Angst.
Sorgen Sie für eine gute Verdauung (Ernährung, Bewegung etc.) und dafür, dass Krankheitsherde wie etwa Nasennebenhöhlen, Zähne, Mandeln saniert werden. Stärken Sie Ihr Immunsystem (Ernährung, Bewegung, Entspannung) und halten Sie Elektrosmog, Lärm, Umwelt- und Nahrungsgifte, aber auch Stress fern von sich oder lernen Sie mit Stress so umzugehen, dass sich Ihr Körper immer wieder regenerieren kann.
Hygiene, Desinfektionsmittel und gründliche Reinigung gelten als wichtigste Waffen gegen das Virus. Wie verhält man sich am besten im Privathaushalt?
W.S.: Zu Hause ist immer nur normale Hygiene angesagt, nie aber Desinfektion und Sterilisation. Die gesündesten Kinder kommen von Bauernhöfen! Desinfektion und Sterilisation verhindern kontinuierliches „Training“ des Immunsystems.
Warum erkranken jedes Jahr mehr Menschen am Norovirus?
W.S.: Die Zunahme der gemeldeten Fälle hängt mit den verbesserten Möglichkeiten zum Nachweis des Virus zusammen, aber auch mit der mediengesteuerten Aufmerksamkeit von Therapeuten wie Kranken. Wahrscheinlich spielt auch der insgesamt schlechtere Allgemein- und Gesundheitszustand der Menschen eine Rolle. Wie oft ist ein Immunsystem durch Stress, schlechte Ernährung und Angst geschädigt!
Warum schlägt Noro vor allem im Herbst und Winter zu?
W.S.: Das Wort „Erkältung“ verdeutlicht im Grunde schon, wie man Krankheit und Gesundheit aus energetischer Sicht betrachten kann. Vereinfacht gesagt heißt wenig Energie auch wenig Leistung und Gesundheit, viel Energie bedeutet viel Leistung und Gesundheit. Viele Menschen sorgen in den Herbst- und Wintermonaten offenbar für zu wenig natürliches Licht und natürliche Wärme, aber auch Bewegung und Ruhe. Man sollte sich immer wieder fragen, ob man sich dem natürlichen Biorhythmus der kürzeren Tage anpasst.
Herr Dr. Scheel, wir danken Ihnen für dieses Interview.
Das Interview führte Barbara Bross.