(11.01.2023) Musik schafft Verbundenheit, reduziert Stress und beeinflusst unsere Stimmung. So ist wenig überraschend, dass sich viele Menschen weltweit während der Coronapandemie verstärkt der Musik zuwandten, wie beispielsweise dem Musizieren auf dem eigenen Balkon, virtuellen Life-Konzerten oder dem Erstellen und Anhören der eigenen Corona-Musik-Playlist. Bisher wurde jedoch noch nicht ausreichend erforscht, ob Musikhören während des Lockdowns tatsächlich zur Linderung von Stress und Verbesserung der Stimmung beitragen konnte.
Alltagsnahe Forschung mittels App
Bei der großangelegten Alltagsstudie der Fakultät für Psychologie der Universität Wien zum Thema Stress während der COVID-19 Pandemie nahmen insgesamt über 700 Personen aus Österreich und Italien teil. Die Studie fand von April bis Mai 2020 während des ersten "harten" Lockdowns statt, bei welchem in beiden Ländern strikte Ausgangsbeschränkungen und Schließungen von Schulen, Arbeitsstätten und Freizeiteinrichtungen durchgesetzt wurden. Über einen Link erhielten die Teilnehmenden Zugang zu einer App, anhand derer sie täglich mehrmals Angaben zu ihrem aktuellen Wohlbefinden und ihrem Musikhörverhalten machten. Diese Herangehensweise erlaubte dem Forscherteam realitätsgetreue Einblicke in den unmittelbaren Alltag während des Lockdowns und ermöglichte es zusätzlich, dynamische Zusammenhänge von Musikhören, Stress und Stimmung über die Zeit hinweg zu untersuchen.
Musikhören im Alltag reguliert Stress und Stimmung im Lockdown
Musik wurde durchschnittlich einmal pro Tag gehört. Allerdings unterschieden sich die Teilnehmenden stark in ihrem Musikhörverhalten und lediglich knapp 9 Prozent der Personen hörten während des gesamten Studienzeitraumes kein einziges Mal Musik. Musik wurde am häufigsten mit dem Ziel der Aktivierung und Entspannung im Alltag gehört und ein Drittel der Teilnehmenden gab an, selbst ein Musikinstrument zu spielen oder zu singen.
"Wurde Musik im Alltag gehört, so berichteten die Teilnehmenden anschließend geringere Stresswerte, eine verbesserte Stimmungslage und mehr Energie, selbst wenn das Musikhören bereits mehrere Stunden zurücklag", so die Erstautorin Anja Feneberg. Bei sehr hohen Stresswerten zeigten sich die stärksten stressreduzierenden Effekte durch Musikhören und bei sehr niedrigen Energiewerten erzielte Musik den stärksten Zugewinn an Energie. Außerdem zeigten Personen, die während der bereits vergangenen Lockdown-Wochen vermehrt chronischem Stress ausgesetzt waren, die größte Stimmungsverbesserung nach dem Hören von Musik.
Merkmale der Musik und Gründe für das Musikhören wichtig
Die Forschenden untersuchten ebenfalls, ob die Art der Musik und die Gründe des Musikhörens eine Rolle spielte. Beurteilten die Teilnehmenden die gehörte Musik als fröhlich, so zeigten sich stärkere Verbesserungen des Stress- und Stimmungsniveaus. "Wir haben zwar nicht erfasst, welche Musikgenres konkret im Alltag gehört wurden, auf Basis bisheriger Forschung können wir jedoch annehmen, dass dieses Ergebnis unabhängig vom Genre ist, solange die Musik individuell als fröhlich empfunden wurde", sagt Letztautor Urs Nater. Darüber hinaus zeigte sich, dass das Hören von Musik zur Ablenkung mit höheren Stresswerten einherging. "Das mag zunächst überraschend erscheinen, da Musikhören zur Ablenkung eine naheliegende Strategie zum Umgang mit Krisen wie dem Lockdown erscheint. Jedoch deutet auch weitere Forschung darauf hin, dass Ablenkung keine effektive Strategie zur Krisenbewältigung darstellt. Möglicherweise ist es hilfreicher, sich der aktuellen Situation und deren Folgen zu stellen und Musik als Mittel zur aktiven Entspannung und Aufmunterung zu hören", so Urs Nater.
Ein chronischer Stressor wie die Corona-Pandemie kann eine starke psychische und soziale Belastung im Alltag darstellen. Erhöhte Stresswerte bedrohen langfristig zudem die psychische und körperliche Gesundheit. Zusammengefasst sprechen die Ergebnisse der Studie dafür, dass Musikhören im Alltag ein einfaches und kostengünstiges Mittel zur Steigerung des Wohlbefindens und der Gesundheit während des Lockdowns darstellt.
Quelle: Universität Wien