(Mannheim, den 07.10.2021) Wenn Kinder und Jugendliche regelmäßig an Kopfschmerzen leiden, können sie schnell in einen Teufelskreis aus Leistungsabfall, Schulangst und sozialer Isolation geraten (1). „Eltern sollten Kopfschmerzen nicht bagatellisieren. Kopfschmerzen können den Alltag und die Zukunft junger Menschen stark beeinträchtigen“, sagt PD Dr. med. Gudrun Goßrau, Leiterin der Kopfschmerzambulanz im Interdisziplinären Universitätsschmerzzentrum am Universitätsklinikum Dresden und Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2021.
In einer Querschnittsstudie in Dresden, mit über 2700 befragten Schülerinnen und Schülern, gaben mehr als zwei Drittel aller Befragten an, regelmäßig an Kopfschmerzen zu leiden (2). Mehr als ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen mit mehr als zwei Kopfschmerztagen im Monat fehlten dadurch regelmäßig in der Schule. „Eine ärztliche Diagnose und Therapie der Kopfschmerzen erhalten nur die Wenigsten“, sagt die Kopfschmerzexpertin. „Dabei sind Migräne und Spannungskopfschmerz die häufigsten eigenständigen Schmerzdiagnosen bei Kindern und Jugendlichen.“ Alarmierend sei, dass Kopfschmerzen stattdessen häufig in Eigenregie mit frei verkäuflichen Medikamenten bekämpft werden. „Schmerzmittel sollten Kinder aber nur einnehmen, wenn sie vom Arzt oder der Ärztin in geeigneter Dosierung verordnet wurden“, so Goßrau weiter. Denn bei häufiger Einnahme könnten Medikamente die Kopfschmerzen auch verstärken. Manche seien für Kinder gar nicht geeignet.
Daten einer aktuellen Münchner Studie zeigen, dass Migräne in der vulnerablen Übergangsphase zwischen Jugend- und Erwachsenenalter mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung weiterer Schmerzen im Erwachsenenalter assoziiert ist (3). „Es besteht deshalb akuter Handlungsbedarf, wenn Kinder regelmäßig an Kopfschmerzen leiden“, sagt Goßrau. Häufig könnten schon einfache, aber gezielte Maßnahmen zu einer Linderung führen. Dazu zählen zum Beispiel die Umstellung des Tagesrhythmus, mehr Entspannungszeiten (ohne Handy), ausreichendes Trinken und regelmäßiges Schlafen. „Auch regelmäßiger Sport und weniger Termindruck reduzieren Kopfschmerzen erheblich“, sagt die Expertin.
Haben Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen erst einmal Einschränkungen des Alltages zur Folge, bedarf es interdisziplinärer Konzepte – wie etwa dem Dresdner Kinderkopfschmerzprogramm (DreKiP). Es handelt sich um ein Gruppentherapieprogramm, das aus acht unterschiedlichen Modulen besteht. „In Deutschland besteht nach wie vor ein Versorgungsbedarf, der mit den vorhanden Therapiestrukturen nicht abgedeckt wird“, so Goßrau. Um diese Versorgungslücke zu schließen, seien gesellschaftliche Anstrengungen erforderlich. Diese beginnen bei der Sensibilisierung von Eltern und Lehrenden, Berücksichtigung von Kopfschmerzen als Krankheitssymptom sowie entsprechender Ausbildung der Akteure im Gesundheitssystem. Darüber hinaus müssten dringend spezifische wie auch interdisziplinäre Therapiemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche mit Kopfschmerzen geschaffen werden.
Literatur:
1) Nieswand V., Richter M., Gossrau G. Epidemiology of Headache in Children and Adolescents—Another Type of Pandemic Crossref DOI link: doi.org/10.1007/S11916-020-00892-6, veröffentlicht: 2020-10
2) Nieswand V, Richter M, Berner R et al. The prevalence of headache in German pupils of different ages and school types. Cephalalgia. 2019 Jul;39(8):1030-1040
3) Gerstl L, Tadych N, Heinen F et al. Migraine and the development of additional psychiatric and pain disorders in the transition from adolescence to adulthood. Cephalalgia. 2021 Jun 23:3331024211021792. doi:
https://doi.org/10.1177/03331024211021792
Quelle: Pressestelle des Deutschen Schmerzkongresses 2021