Chemische Stoffe aus Autoreifen in Gemüse Über Bewässerung mit aufbereitetem Abwasser kommen Reifenadditive in Blattgemüse

Autoreifen enthalten hunderte von chemischen Additiven, die sich aus ihnen herauslösen können. So gelangen sie in Nutzpflanzen und anschließend in die Nahrungskette. Forscher*innen des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien haben nun erstmals chemische Rückstände aus Reifenabrieb in Blattgemüse nachgewiesen. Die Konzentrationen waren zwar gering, der Nachweis dennoch eindeutig. Ein Befund, der etwa auch für Medikamentenrückstände in pflanzlichen Nahrungsmitteln bekannt ist. Die Studie erschien in der international renommierten Fachzeitschrift Frontiers in Environmental Science.

(05.06.2024) Dass in kommerziell verkauftem Obst und Gemüse Rückstände aus Medikamenten vorhanden sind, ist wissenschaftlich schon vielfach untersucht. Aber auch chemische Stoffe aus Reifenabrieb, sogenannte Additive, finden ihren Weg in die Nahrungskette. Das hat die neue Studie eines internationalen Forschungsteams unter Leitung des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien (CeMESS) um Thilo Hofmann in Zusammenarbeit mit der Hebrew University of Jerusalem um Benny Chefetz nun gezeigt. Untersucht wurde Gemüse aus der Schweiz und Israel. Reifenadditive werden so über die Nahrung aufgenommen. Manche dieser Stoffe und deren Transformationsprodukte können ökologische und toxikologische Risiken darstellen.

Autoreifen bestehen aus einer komplexen Mischung von Materialien, die ihre Leistung und Haltbarkeit verbessern. Hierzu gehören 5-15 % chemische Additive, welche hunderte von Substanzen umfassen, zum Beispiel Antioxydanzien, Antiozonierungsmittel, Vulkanisierungmittel, Antialterungsmittel und viele mehr, um die vielseitigen Eigenschaften eines modernen Reifens zu ermöglichen. "Die Toxizität von Reifen- und Straßenabriebpartikeln hängt mit ihren organischen Zusatzstoffen, den Additiven, und den damit verbundenen Umwandlungsprodukten zusammen", erklärt Anya Sherman, Doktorandin am CeMESS und Erstautorin der aktuell veröffentlichten Studie.

Die aus Autoreifen gewonnenen Verbindungen gelangen durch atmosphärische Ablagerung, Bewässerung mit aufbereitetem Abwasser und die Verwendung von Klärschlamm als Dünger in die Landwirtschaft. "Dort können sie von Pflanzen aufgenommen werden und so auch den Menschen erreichen", fügt Thilo Hofmann hinzu, Leiter der Forschungsgruppe.

Rückstände des Reifenabriebs in Blattgemüse aus dem Supermarkt

Schließlich rechneten die Forscher*innen die Messwerte aus dem Gemüse auf die Aufnahme dieser Stoffe mit der Nahrung hoch. "Wir haben auf Basis dessen, was Menschen in der Schweiz und Israel essen, die Aufnahme pro Tag berechnet", erzählt Sherman. Die Konzentrationen der Reifenadditive im Blattgemüse sind insgesamt gering und liegen zum Beispiel bei 238 ng/kg für Benzothiazol (BTZ), oder 0,4 ng/kg für 6PPD, ein Stoff, dessen Transformationsprodukt 6PPD-Quinone eine hohe Toxizität zeigt. Dies führt dann je nach Diät zu einer täglichen Aufnahme pro Person von 12 bis 1.296 ng für BTZ, oder 0.06 bis 2.6 ng für 6PPD. Das ist in der Größenordnung vergleichbar mit Medikamentenrückständen, die ebenfalls auf Umwegen in die Nahrungskette gelangen. Die Studie zeige, so Thilo Hofmann, deutliche Ergebnisse: "Während die Konzentrationen und tägliche Aufnahme zum Glück relativ gering sind, findet man dennoch Stoffe aus Autoreifen in der Nahrung. Da gehören sie nicht hin." Als nächste Schritte sollten nun laut Hofmann die gesundheitlichen Aspekte untersucht werden.

Von der Straße, auf die Pflanze, in den Körper

Bereits im Jahr 2023 konnten die Wissenschafter*innen zeigen, dass Additive aus Autoreifen prinzipiell von Pflanzen aufgenommen werden können. "Die Frage war jedoch, ob dies nur in unserer mechanistischen Laborstudie passiert, oder auch im Freiland", erklärt Erstautorin Anya Sherman. Daher analysierten die Wiener Umweltwissenschafter*innen nun in der aktuellen Studie, ob Salatpflanzen die von Reifenabrieb abgebebenen Chemikalien unter natürlichen Wachstumsbedingungen aufnehmen. "Dazu haben wir echte Proben aus dem Supermarkt in der Schweiz sowie Feldgemüse aus Israel untersucht", erklärt Thilo Hofmann den Hintergrund der aktuell veröffentlichten Studie.

Das internationale Forscher*innenteam analysierten mittels hochauflösender Massenspektrometrie die Proben auf insgesamt sechzehn reifenassoziierte Verbindungen. Ursprungländer der Blattgemüse in den Schweizer Proben aus dem Supermarkt waren Italien, Spanien sowie die Schweiz. In den israelischen Proben Feldgemüse aus Israel direkt nach der Ernte.

 

Quelle: Theresa Bittermann, Universität Wien

Kommentare
Neuen Kommentar schreiben
Hinweis: Sie haben Anmerkungen oder Fragen von allgemeinem Interesse zu diesem Artikel? Dann können Sie diese als Kommentar hinzufügen. Sachlich formulierte Kommentare, die weder Beleidigungen noch werbliche Hinweise oder Links enthalten, werden nach einer redaktionellen Überprüfung baldmöglichst freigeschaltet, so dass Ihre Nachricht und Ihre Daten (außer Ihrer E-Mail-Adresse) öffentlich sichtbar werden. Mit dem Absenden des Kommentars erklären Sie sich ausdrücklich mit der Veröffentlichung des Kommentars und der von Ihnen gemachten Angaben (außer E-Mail) einverstanden.
Keine Kommentare gefunden!

Wichtiger Hinweis:
Diese Inhalte dienen der Information und Orientierung. Sie können und sollen unter keinen Umständen den Besuch eines Arztes und die Konsultation medizinischer Beratung oder professioneller ärztlicher Behandlung ersetzen.
Der Inhalt von naturheilmagazin.de kann und darf nicht verwendet werden, um eigenständig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen zu beginnen. Im Übrigen verweisen wir auf die Geltung unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen AGB