Wo bleibt bei EHEC der gesunde Menschenverstand? 

Hier hinterfragt Prof. Herzog die weit verbreiteten Informationen zu EHEC. So stuft er z.B. auf Basis der bekannten Zahlen das von EHEC ausgehende Risiko als sehr gering ein. Sein Fazit: "Wir können also ohne Sorge weiter unsere Salate und Gemüse essen. Es ist nach wie vor gefährlicher Auto zu fahren, als Tomaten, Gurken oder Sprossen zu essen!"

Die Fakten zu EHEC

Eine besonders gefährliche Form eines Darmkeimes von Rindern (EHEC) verbreitet sich möglicherweise über das Ausbringen von Gülle in Nahrungsmittel für Menschen. In einzelnen Ballungsräumen treten gehäufte Infektionen auf. Besonderheit ist ein HUS (hämolytisch urämisches Syndrom) als relativ häufige Komplikation mit der Notwendigkeit Wochen bis Monate langer intensiver Behandlung und dennoch manchmal tödlichem Verlauf.

Das Risiko einer EHEC-Infektion

Das Risiko zu erkranken hängt vom Wohnort ab. Bei etwa 30 Millionen Einwohnern im Ballungsraum Nord-West-Deutschland beträgt derzeit:

  1. das Erkrankungsrisiko (bei 2500 Erkrankten)                   0,008 %
  2. das HUS-Risiko (bei 600 Fällen)                                        0,002 %
  3. das Sterberisiko (bei 25 Toten)                                     0,00008 %

Dieses Risiko ist extrem niedrig. In anderen Bundesgebieten oder im europäischen Ausland ist das Erkrankungsrisiko sogar noch wesentlich niedriger.
Zum Vergleich: Das Sterberisiko im Straßenverkehr liegt bei 0,005 % (ca. 4000 Tote jährlich), d.h. etwa 80-fach höher.

Gesundheitspolitische Bedeutung von EHEC

Insgesamt liegt mit EHEC keine bedeutsame Infektionserkrankung vor. Ein Vielfaches an Toten gibt es jährlich durch Grippeinfektionen oder durch Verkehrsunfälle. Ein nationaler Notstand ist damit nicht gegeben.
Dennoch hat die EHEC-Erkrankung weitreichende wirtschaftliche und politische Folgen durch unprofessionelle Reaktionen an Schlüsselpositionen.
Bedingt durch eine schnelle Informationsübermittlung über verschiedenste Medien führen solche Fehlinformationen zu unsinnigen Handlungen mit teils katastrophalen Folgen.

Wo bleibt bei EHEC die Logik?

Durch einfaches logisches Denken könnte es vermieden werden, dass falsche Schlussfolgerungen gezogen und unsinnige Empfehlungen gegeben werden.

  1. Kann es sein, dass die EHEC-Infektionswelle über einen einzelnen Betrieb, zum Beispiel über einen Hersteller spanischer Gurken oder Nord-West-Deutscher Sprossen verursacht wird?
    Antwort: Nein, diese Möglichkeit ist auszuschließen. Dies würde bedeuten, dass sämtliche infizierten Personen in den verschiedenen Landesteilen infizierte Gurken eines einzigen Betriebes gegessen haben müssten. Dies kann nicht nachvollzogen werden. Zum anderen müssten die Infektionen sich dann gleichmäßig über ganz Deutschland verteilen, da die Vertriebswege internationaler Produkte in der Regel über deutsche Handelsketten und nationale Lebensmittelgroßhändler laufen. Eine unterschiedliche Häufung in unterschiedlichen Landesteilen wäre nicht zu erwarten.
    Damit scheidet eine Ausbereitung des Keimes von einem Punkt aus von vornherein aus. Eine Schließung einzelner Betriebe als Notfallmaßnahme, wie mehrfach erfolgt, ist damit sinnlos und nicht hilfreich.
  2. Die allgemeine Empfehlung, zum Schutz vor EHEC keine Salate, Tomaten oder Gurken mehr zu essen ist unsinnig. Da die Infektionsquelle bislang nicht gefunden ist, nützen solche Empfehlungen nichts. Sie wiegen eher in falscher Sicherheit. Solche Empfehlungen haben aber erheblich wirtschaftliche Folgen für die Herstellerbetriebe.
  3. Verschwörungstheorien zu EHEC wie entwichene mutierte Keime aus biologischen Versuchslaboratorien sind ebenfalls unlogisch. Denn auch hier läge eine Ausbreitung von einem Punkt aus vor, was aufgrund der Verteilung der bisherigen EHEC-Fälle auszuschließen ist.
  4. Die regelmäßige Berichterstattung über EHEC mit teilweiser sensationeller Aufmachung erzeugt bei den meisten Menschen Unsicherheit bis hin zu Angst und Panik. Statt die Menschen zu beruhigen, werden unbedeutende Veränderungen als allgemein bedrohlich dargestellt. Ob nun Bundesweit 16, 20 oder 25 Menschen an der Krankheit gestorben sind, spielt überhaupt keine Rolle. Ebenso spielt es bei 80 Millionen Bundesbürgern keine Rolle, ob 2000 oder 2500 erkrankt sind.
    Eine relativierende Berichtserstattung zu EHEC mit dem Ziel, Menschen zu beruhigen, erfolgt nicht. Dabei gibt es wesentlich schlimmere Bedrohungen für das menschliche Leben als die EHEC-Infektion. So sterben jährlich viele Tausend Menschen im Straßenverkehr und über 200.000 allein an der Krankheit Krebs. Angesichts dieser täglichen und seit Jahren bekannten Realität erscheinen die zu EHEC publizierten Zahlen belanglos. Wenn solche Vergleiche in Medien regelmäßig publiziert würden, dann würden Menschen beruhigt und angstgesteuerte Fehlentscheidungen weitgehend vermieden.

Letztendlich ist das falsche staatliche und mediale Management einer relativ kleinen unbedeutenden Epidemie mit gelegentlicher Todesfolge verantwortlich für die weitreichenden Folgen. Politische Entscheidungsträger ohne globales Betrachtungsvermögen geben falsche Empfehlungen. Die Medien verbreiten durch eine sensationelle Darstellung einzelner Begebenheiten Verunsicherung und Angst. Der Steuerzahler wird am Ende für die wirtschaftlichen Folgen aufkommen müssen, die durch unlogisches Denken und Handeln entstanden sind.

Wie kommt es nun zu der EHEC-Epidemie?

Wir müssen zugeben, dass wir es noch nicht wissen. Möglicherweise wurde die EHEC-Epidemie ausgelöst durch eines der wärmsten und trockensten Frühjahre der letzten 120 Jahre. Möglicherweise haben auch bestimmte Bakterienstämme eine raschere Fähigkeit zu Mutation erlangt, als bisher angenommen.

Dass wir nicht wissen, woher die EHEC-Infektionen stammen, ist nicht schlimm. Wir wissen wesentlich bedeutendere Dinge nicht. Wir wissen zum Beispiel nicht, warum jedes Jahr mehr als 300.000 Menschen an Krebs erkranken. Wir wissen nicht, warum an sich kluge Menschen zu krassen Fehlentscheidungen neigen, wie dem unnötigen Ankauf von Millionen Impfdosen gegen die Schweinegrippe oder dem Bau von Atomkraftwerken in hochgradig Erdbeben-gefährdeten Gebieten.

Bei so viel Nichtwissen ist das derzeitig fehlende Wissen um eine gesundheitspolitisch relativ unbedeutende Erkrankung nicht von Belang.

Wir können also ohne Sorge weiter unsere Salate und Gemüse essen. Es ist nach wie vor gefährlicher Auto zu fahren, als Tomaten, Gurken oder Sprossen zu essen!

Autor/en dieses Beitrages:
, FA. für Innere Medizin aus Nidda

Stand 09.06.2011

Kommentare
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  • Jenny, am 11.09.2018
    Der Beitrag ist zwar schon etwas älter, aber ich bin eben erst darüber gestolpert. Danke für diese Argumentation!Immer noch bekommen Menschen Panik, wenn man ihnen empfiehlt, zugunsten ihrer Gesundheit regelmäßig Sprossen über ihre Speisen zu streuen.Solche angstschürenden Medienberichte bleiben leider über Jahre hinweg in den Köpfen der Gesellschaft hängen.Ich habe nie daran geglaubt, dass die sog. "Epidemie" durch Sprossen oder Gurken ausgelöst wurde.

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