HPV-Impfung: Bedenkliches hinter den Kulissen 

Seit die HPV-Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs auf dem Markt ist, reißt die Kritik nicht ab. Bedenklich ist auch, was der Kinderarzt Dr. Martin Hirte bei den Recherchen zu seinem Buch „HPV-Impfung: Nutzen, Risiken und Alternativen von Gebärmutterhals-Krebsvorsorge“ zusammengetragen hat.

Im Folgenden lesen Sie einige Auszüge aus dem Buch „HPV-Impfung: Nutzen, Risiken und Alternativen von Gebärmutterhals-Krebsvorsorge“ von Dr. Martin Hirte.

Mehr zur Diskussion um die HPV-Impfung zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs lesen Sie hier.

Die Absteckung der Claims

Das Pharmageschäft mit seinen ungeheuren Gewinnmargen führt zu einer breiten Allianz von Wirtschaft, Politik, Wissenschaftlern, Ärzten und Medien (1). Es gibt kaum noch Nischen im Gesundheitsbereich, die nicht von kommerziellen Interessen berührt sind. Während der Entwicklung des Impfstoffs gegen humane Papillomaviren zeichneten sich schon früh außergewöhnlich hohe Gewinnerwartungen ab, und so gab es hinter den Kulissen besonders viele Aktivitäten und Rangeleien.

Anfang der neunziger Jahre arbeiteten gleichzeitig mehrere Forschergruppen an der Herstellung eines HPV-Impfstoffs: Wissenschaftler an Universitäten in den USA und Australien und die Gruppe um Harald zur Hausen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Öffentliche Forschungseinrichtungen wie das DKFZ sind bestrebt, die immer knapper werdenden Forschungsgelder durch sogenannte „Drittmittel“ privater Geldgeber aufzubessern. Die Ideologie von der „unternehmerischen Forschung“ und vom „schlanken Staat“, der nur noch Grundfinanzierungen bereitstellt, treibt die Wissenschaft in die Arme der Privatwirtschaft. So begab sich auch das DKFZ auf die Suche nach einem kommerziellen Partner. Da es in Europa keinen geeigneten Interessenten fand, verkaufte es die Lizenz für seine Forschungsergebnisse an die amerikanische Biotech-Firma Medimmune (2).

Der US-amerikanische Pharmaproduzent Merck & Co., drittgrößter Arzneimittel- und größter Impfstoffhersteller der Welt, erwarb seinerseits Lizenzrechte an der HPV-Forschung von Universitäten in den USA und Australien. Die Zuständigkeit für die Vermarktung des künftigen HPV-Impfstoffs in Europa übertrug er dem Mischkonzern Sanofi Pasteur MSD, einem Joint Venture zwischen Merck und Sanofi-Aventis, dem viertgrößten Pharmaunternehmen der Welt.

Auch GlaxoSmithKline (GSK) in London, der weltweit sechstgrößte Pharmakonzern und zweitgrößte Impfstoffhersteller, stieg mit in den Ring. GSK kaufte die Rechte von Medimmune und schmiedete mit dieser Firma eine Allianz zur Entwicklung eines eigenen HPV-Impfstoffs.

Beide Alpha-Tiere – Merck und GSK – besaßen nun jeweils Rechte, die der andere unbedingt für die Impfstoffentwicklung brauchte. Um eine Pattsituation zu vermeiden, erteilten sie sich 2005 gegenseitig sogenannte Kreuzlizenzen, die eine wechselseitige Nutzung aller Patentrechte erlauben. Damit waren auch jegliche Mitkonkurrenten um die Impfstoffentwicklung aus dem Rennen.

Die angelsächsischen Universitäten und das Deutsche Krebsforschungszentrum wollten an den zu erwartenden Gewinnen beteiligt werden. Nach zähen Verhandlungen gelang es dem DKFZ, als Miteigentümer an den Impfstoff-Patenten anerkannt zu werden und sich Anteile am Erlös des Impfstoffverkaufs zu sichern. Es wurde damit zu einem Interessenvertreter der Impfindustrie, was in seinen Publikationen zu den HPV-Impfstoffen klar zum Ausdruck kommt.

Die Firma Medimmune wurde 2007 vom britisch-schwedischen Konzern AstraZeneca übernommen, der nun seinerseits Patentinhaber an den HPV-Impfstoffen wurde. AstraZeneca hat bei der Verleihung des Nobelpreises 2008 an Harald zur Hausen und dem dadurch ausgelösten Verkaufsschub für die Impfstoffe vermutlich kräftig mitgemischt (3).

Nun konnte das Wettrennen um die globale Vermarktung des Impfstoffes beginnen: Wer würde der Erste sein bei der Zulassung seines Impfstoffes und damit am frühesten und voraussichtlich auch am meisten Gewinn machen?

Studien in Entwicklungsländern: Kolonialismus 2.0

Impfstudien gelten in der pharmakologischen Forschung als besonders heikel, denn es geht um medizinische Experimente an Gesunden. Um leichter, billiger und schneller an die gewünschten Ergebnisse zu kommen, werden viele Impfstudien in Entwicklungsländer ausgelagert. Dort sind gesetzliche Bestimmungen und Standards zum Schutz der Versuchspersonen in der Regel minimal.
Gardasil wurde in dreizehn Ländern untersucht, unter anderem in Lateinamerika und dem asiatisch-pazifischen Raum. Der GSK-Impfstoff Cervarix wurde in 25 Ländern Nord- und Südamerikas, Europas und der Asien-Pazifik-Region getestet.

Einer der Cervarix-Versuche fand an 20 000 Frauen in Costa Rica statt – unter fragwürdigen Bedingungen: Viele Versuchspersonen wurden nicht oder ungenügend aufgeklärt, und es wurden sogar schwangere Frauen in die Impfstudie mit einbezogen, entgegen den Studienbedingungen. Das sorgte in dem mittelamerikanischen Land für politischen Zündstoff (4).

Zu einem Skandal kam es auch während einer Beobachtungsstudie mit HPV-Impfstoffen in Indien: Die gemeinnützige Organisation Path testete 2009, finanziert von der Bill & Melinda Gates Foundation, beide HPV-Impfstoffe an 24 000 Schülerinnen im Alter von zehn bis vierzehn Jahren – teilweise, ohne die Eltern um Erlaubnis gefragt zu haben. Viele Einwilligungserklärungen waren mit Fingerabdrücken unterzeichnet oder gleich von Krankenschwestern unterschrieben. Das angebliche „Demonstrationsprojekt“ entpuppte sich im Nachhinein als nicht angemeldete Forschungsstudie an minderjährigen Mädchen. Während der Zeit der Tests starben mindestens sieben Schülerinnen, bei vielen anderen traten Nebenwirkungen wie Gewichtsverlust, Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Schwindel oder Menstruationsprobleme auf. Das Oberste Gericht in Delhi forderte Aufklärung über den Tod der geimpften Kinder. Journalisten sprachen von einer neuen Form des Kolonialismus. Das Folgeprodukt Gardasil 9, das sieben Typen des HPV abdecken soll, wurden ebenfalls in Indien getestet. Auch bei diesen Untersuchungen soll teilweise keine Einwilligung der Eltern eingeholt worden sein (5, 6, 7).

Impfempfehlung in Deutschland: Überforderte Impfkommission

Die deutsche STIKO empfahl im März 2007 die dreimalige Impfung gegen humane Papillomaviren für alle Mädchen von zwölf bis siebzehn Jahren. Die Empfehlung wurde mit dem Charakter einer Eilmaßnahme „ausnahmsweise“ schon vier Monate vor dem regulären Sitzungstermin bekanntgegeben – „aufgrund des großen öffentlichen Interesses“ (8). Wahrscheinlich fürchtete die STIKO einen Medienrummel, wie ihn Sanofi in den Niederlanden veranstaltet hatte, um Eltern, Ärzte und Behörden unter Druck zu setzen, unter anderem mit dem Slogan „Schütze deine Tochter“.

Die Einführung der HPV-Impfung in den deutschen Impfplan hatte noch ein sehr unangenehmes „Gschmäckle“, das durch die Presse ging: Der damalige Vorsitzende der STIKO Heinz-Josef Schmitt hatte von zahlreichen Impfstoffherstellern Zuwendungen und vier Monate vor der Markteinführung von Gardasil einen mit 10 000 Euro dotierten Preis erhalten – „für sein besonderes Engagement zur Förderung des Impfgedankens“. Der Preis wurde von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin verliehen, war aber vom Gardasil-Vermarkter Sanofi finanziert (9).

Auch aus anderen Gründen war die Impfempfehlung von heftiger Kritik begleitet: Die Wirksamkeit sei nicht belegt und das Nebenwirkungsrisiko unklar, die Kosten aber seien exorbitant. Dreizehn renommierte deutsche Wissenschaftler empfahlen im November 2008 dringend die Überprüfung der Impfempfehlung, weil entscheidende Fragen nicht geklärt seien (10). Der Gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen schloss sich im Dezember 2008 dieser Forderung an.

Die STIKO veröffentlichte daraufhin im Jahr 2009 eine Neubewertung, in der sie die Impfempfehlung bekräftigte. Das war auch nicht anders zu erwarten: Impfempfehlungen werden kaum je zurückgenommen, denn das könnte auch andere Impfungen in Frage stellen. Der damalige STIKO-Vorsitzende Hoffmann hatte schon vorab verkündet, dass die neue Bewertung nicht anders ausfallen würde als die alte.

Die STIKO-Neubewertung stand sofort wieder im Kreuzfeuer der Kritik: Patientenvertreter der Krankenkassen entdeckten „zahlreiche Ungereimtheiten“ und „zweifelhafte Schlussfolgerungen“. So würde die Impfung nach Berechnung der STIKO fast doppelt so viele Fälle von Krebsvorstufen verhindern, wie überhaupt vorkommen (11). Die renommierte Zeitschrift arznei-telegramm reagierte genervt: „Es stellt sich die Frage, wie eine Kommission, die offenbar nicht in der Lage ist, Berechnungen zum Nutzen einer Immunisierung korrekt und mit realistischen Annahmen durchzuführen, Empfehlungen abgeben kann, denen – nicht zuletzt nach Einschätzung eines ihrer Mitglieder – die Bedeutung eines medizinischen Standards zukommt. Auch Impfempfehlungen müssen wissenschaftlich valide und überprüfbar sein. Daher fordern wir die Ablösung des Gremiums in seiner jetzigen Form“ (12).

Es hätte anders laufen müssen …

Die HPV-Impfstoffe sind so extrem gewinnbringend für die Hersteller, dass diese alles, aber auch alles tun, um sie flächendeckend unter die Menschheit zu bringen. Mit einer Materialschlacht an gesponserten Studien, einem Heer von Lobbyisten und ungeheurem Werbeaufwand ist es ihnen gelungen, die Zulassungsbehörden und Impfkommissionen vor sich herzutreiben und schließlich zur Geisel zu machen. Die Zulassung und Empfehlung eines Impfstoffs vor der Veröffentlichung der dafür erforderlichen Studien – was für ein Skandal! Nun sitzen die Behörden mit den Impfstoffherstellern in einem Boot: Sie stehen unter Rechtfertigungsdruck und sind nicht mehr in der Lage, sich kritisch mit der Impfung auseinanderzusetzen.

Es hätte ganz anders laufen müssen, und es gab auch überhaupt keinen Grund zur Eile. Österreich hat es vorgemacht mit der systematischen Bewertung und Folgenabschätzung der HPV-Impfung (13), die ein eher negatives Ergebnis erbrachte, leider aber inzwischen in der Schublade verschwunden ist.

Die Krebsfrüherkennungsuntersuchung hat einen gesicherten Effekt, und in erster Linie sie muss weiterentwickelt werden. Die Behörden sind in keiner Weise verpflichtet, der Impfindustrie im Falle nebulöser Studienergebnisse unter die Arme zu greifen. Man hätte in Ruhe abwarten können und auch müssen, bis es eindeutige Belege gibt für die Behauptungen, die HPV-Impfung verhindere Krebs, sie wirke langfristig und sei gut verträglich.

Diese wichtigen Fragen sind heute immer noch nicht befriedigend beantwortet, und darüber sollten Mädchen und ihre Eltern informiert werden. Nicht darüber, wie problemlos, wirksam und sicher die Impfung und wie unverantwortlich und lebensgefährlich es sei, sich den Schuss nicht geben zu lassen. Solche Plattitüden kann man getrost den Herstellern überlassen.

  1. Gøtzsche PC, Jørgensen KJ: Screening for breast cancer with mammography (Review). Cochrane Database Syst Rev 2013, 6: CD001877
  2. BioPro: Impfstoff zur Prävention von Gebärmutterhalskrebs. 17.9.2006. www.bio-pro.de/magazin/wirtschaft/index.html?lang=de&artikelid=/artikel/02449/index.html (Zugriff 22.7.2015)
  3. SZ (Süddeutsche Zeitung): Nobelpreise 2008 – Korruptionsvorwürfe gegen Nobel-Stiftung. 17. Mai 2010. www.sueddeutsche.de/wissen/nobelpreise-korruptionsvorwuerfe-gegen-nobel-stiftung-1.383830 (Zugriff 11.2.2015)
  4. GeN (Gen-ethisches Netzwerk): Costa Rica: Ein offenes Versuchslabor. GID: 180, Februar 2007 S. 10 – 15. www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/180/feuerlein/costa-rica-offenes-versuchslabor (Zugriff 8.2.2014)
  5. SPIEGEL der: Pharmaskandal: „Inder wollen keine Versuchskaninchen mehr sein“. 9. Mai 2012
  6. Economic Times: Controversial vaccine studies: Why is Bill & Melinda Gates Foundation under fire from critics in India? 31. August 2014. http://articles.economictimes.indiatimes.com/2014-08-31/news/53413161_1_hpv-vaccine-cervarix-human-papilloma-virus (Zugriff 14.2.2015)
  7. Mail Online: Doctors >used nine-year-olds as human guinea pigs< for a new cervical cancer vaccine ... and they suffered side-effects including nausea, dizziness and weight-loss. 12. Januar 2015, www.dailymail.co.uk/news/article-2893485/Children-guinea-pigs-anti-cervical-cancer-drug.html (Zugriff 14.2.2015)
  8. AT (arznei-telegramm): Zweiter HPV-Impfstoff Cervarix. a-t 2007c, 38: 101-3
  9. Taz (Tageszeitung): Kontakte zu Pharmafirmen – Impfkommission im Interessenkonflikt. taz 16. November 2007
  10. Dören M, Gerhardus A, Gerlach FM, Hornberg C et al.: Wissenschaftler/innen fordern Neubewertung der HPV-Impfung und ein Ende der irreführenden Informationen. Stellungnahme vom 25. November 2008. www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag3/downloads.html (Zugriff 8.2.2015)
  11. SZ (Süddeutsche Zeitung): HPV-Impfung Ungereimtheiten und Widersprüche. SZ 17. Mai 2010. http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/hpv-impfung-ungereimtheiten-und-widersprueche-1.82946 (Zugriff 15.2.2015)
  12. AT (arznei-telegramm): Beispiel HPV-Impfung: Ist die STIKO überfordert? a-t 2009b, 40: 61-2
  13. Zechmeister I, Blasio BF, Garnett G, Neilson AR, Siebert U: Ökonomische Evaluation der Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV-Impfung) in Österreich. HTA-Projektbericht Nr. 009 ISSN-Online 1992-0496. Ludwig Boltzmann Institut Wien, Dezember 2007

Das Buch

Die Texte sind folgendem Buch entnommen:

Martin Hirte:
HPV-Impfung – Nutzen, Risiken und Alternativen von Gebärmutterhals-Krebsvorsorge.
Knaur MensSana HC, 2016, 160 Seiten, gebundene Ausgabe, ISBN-13: 978-3426657843, 14,99 EUR

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Autor/en dieses Beitrages:
, FA. für Kinder- und Jugendmedizin aus München
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