Symbioselenkung Mikrobiologische Therapeutika

Auf der Schleimhaut eines gesunden Menschen tummeln sich riesige Mengen von Bakterien, die für ein funktionierendes Abwehrsystem notwendig sind. Ist das Mischungsverhältnis der Bakterien gestört, so der Grundgedanke der Mikrobiologische Therapie, wird der Mensch krank.

 

Mikrobiologische Therapie

Aus der Kombination des Impfgedankens mit dem Wissen um die Bedeutung der Darmflora entwickelte sich eine Behandlungsform, die lange Zeit „Symbioselenkung“ genannt wurde und mit deren Hilfe in der Darmflora ein „normales“ Mischungsverhältnis von Bakterien geschaffen werden sollte. Aus ihr entwickelte sich die Mikrobiologische Therapie. Bei der Mikrobiologischen Therapie sollen Bakterienprodukte, die geschluckt oder gespritzt werden, die Abwehr aktivieren. Die Bakterienprodukte enthalten abgetötete Keime, die aus Harn, Stuhl, Speichel, Vaginalsekret oder Eiter gewonnen werden.

"Der Arzt der Zukunft wird Immunisator sein." Almeroth Wright, 1909

Ursprung und Geschichte

Bereits 1880 experimentierte Louis Pasteur mit abgetöteten oder abgeschwächten Krankheitserregern, so dass man ihn als Begründer der mikrobiologischen Therapie bezeichnen kann (3). 1895 äußerte er die Meinung, dass tierisches, und damit auch menschliches Leben, ohne Darmbakterien nicht möglich sei (2).

Die immunstimulierende Wirkung von injizierten abgetöteten Bakterien konnte schon 1898 von Almeroth Wright dokumentiert werden.

Als Begründer der mikrobiologischen Therapie mit Darmkeimen wird A. Nissle angesehen, der während des ersten Weltkriegs an Soldaten, die von einer Typhusepidemie verschont geblieben waren, einen speziellen Escherichia-coli-Stamm (eine bei allen Menschen vorkommende Bakterienart, dem sehr viele Unterarten angehören) isolieren konnte und mit diesem Stamm in der Folgezeit forschte und therapierte.

Von ihm stammt auch der Begriff "Dysbakterie" (schlechte, d.h. nicht hierher gehörende Bakterien). Ein anderer synonym gebrauchter Begriff ist die Dysbiose, als Gegenbegriff zur Symbiose (Zusammenleben mehrerer Arten mit jeweils gegenseitigem Nutzen). Mit der Entdeckung des Penicillins durch Fleming 1928 und der darauf einsetzenden "Antibiotikaeuphorie" mit zugegebenerweise sehr schnellen Erfolgen, geriet die Mikrobiologische Therapie ins Abseits.

Erst in jüngerer Zeit hat sie als Therapie gegen Durchfall und als Zusatztherapie, beispielsweise in der Intervall-Behandlung (während symptomarmer Episoden einer chronischen Erkrankung) Eingang in die Schulmedizin gefunden.

Wirkungsweise

Mikrobiologische Therapeutika können lebendige oder abgetötete Teile von Bakterien oder Mikroorganismen enthalten.

Das Therapieprinzip besteht darin, dass durch einen Kontakt des Körpers mit den Mikroorganismen oder deren Teilsubstanzen eine Immunantwort provoziert wird. Hierdurch ergibt sich eine Steigerung vor allem der unspezifischen Immunitätsleistung des Organismus. Die Wirkung wird als "modulierend" (Modulation: Jede Art der Beeinflussung einer charakteristischen Größe; d.h. sowohl in negativer als auch positiver Richtung) beschrieben.

Das heißt, mit der mikrobiologischen Therapie kann sowohl ein überaktives Immunsystem (z.B. bei Allergien) gebremst, als auch eine inaktive Körperabwehr (z.B. bei chronischer Infektanfälligkeit) angeregt werden. Insbesondere die Beeinflussung des darmassoziierten Immunsystems und der Schleimhautabwehr ist dokumentiert (1). Häufig findet man in diesem Zusammenhang den eher irreführenden Begriff "Darmsanierung" und "Symbioselenkung".

Richtungen

Prinzipiell kann man zwei Richtungen in der Mikrobiologischen Therapie unterscheiden:

  • 1. Die enterale Therapie, bei der der Wirkstoff eingenommen wird.
    Die Präparate gibt es sowohl in Tropfenform als auch als Tabletten oder Kapseln.
  • 2. Die parenterale Therapie, bei der der Wirkstoff gespritzt wird.

Fiebertherapie

Bei der Fiebertherapie werden mikrobielle Pyrogene ("Fiebererzeuger") unterschiedlichster Art in die Vene injiziert, worauf es zu einem starken Fieberanstieg, in der Regel mit Schüttelfrost und anderen zum Teil gravierenden Begleitreaktionen kommt. Deshalb wurde diese Therapie nur stationär, bzw. teilstationär durchgeführt (4).

Wegen der Nebenwirkungen und Risiken wurden die entsprechenden Präparate jedoch Anfang der 90-er Jahre vom deutschen Markt genommen.

Die Hauptindikation war die Karzinombehandlung, aber auch virale und bakterielle Infektionen und Immunopathien (insbesondere Neurodermitis).

Autovaccine

Bei der Herstellung von Autovaccinen wird eine mikrobiologische Untersuchung von Stuhl, aber auch von Abstrichen, Urin oder anderen Ausscheidungen durchgeführt. Anschließend werden diese Keime in Reinkultur gezüchtet, dann abgetötet und zu einer Injektionslösung verarbeitet. Die Aufschwemmung dieser abgetöteten, eigenen Bakterienstämme wird Autovaccine genannt. Ihnen wird im Gegensatz zu den üblichen mikrobiologischen Präparaten eine spezifischere Wirkung zugeschrieben. Trotz der Anwendung in Injektionsform ist das Hauptzielorgan der Darm, aber auch Infektanfälligkeit gehört zu den Hauptindikationen. Weitere Anwendungsgebiete sind die allgemeine Umstimmung (Immunmodulation), Allergien, Neurodermitis, Autoimmunerkrankungen, Hauterkrankungen, hormonelle Dysbalancen u.a.

Hauptanwendungsgebiete

Hauptanwendungsgebiet der mikrobiologischen Therapie sind Beschwerdebilder des Darms.

Mit dem Keim Saccharomyces boulardii (z.B. Perenterol®) steht ein gut wirksames, von Schulmedizin und Krankenkassen anerkanntes Medikament gegen Durchfall zur Verfügung.

Auch Verstopfung spricht in der Regel sehr gut auf mikrobiologische Präparate an; diesbezüglich existieren auch Studien (z.B. mit Mutaflor®) (5)

Entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn werden inzwischen auch von vielen Schulmedizinern mit mikrobiologischen Präparaten behandelt, wobei dies meist im so genannten beschwerdearmen "Intervall" geschieht. Auch hier sollen die schubvorbeugende Eigenschaften ähnlich gut sein wie die Präparate, die das Immunsystem unterdrücken.

Da in der Naturheilkunde der Darm mit dem darmassoziiertem Immunsystem als das zentrale Immunorgan angesehen wird, gibt es kaum ein Beschwerdebild für das eine Mikrobiologische Therapie nicht in Frage kommt. Wissenschaftlich akzeptable Veröffentlichungen finden sich jedoch selten.

Vorgehensweise

Fiebertherapie

Eine Fiebertherapie erfolgte immer in stationärem Rahmen. Ein so genanntes Anaphylaxiebesteck zur Beherrschung schwerer allergischer Komplikationen musste griffbereit sein. Auch Medikamente für die Nebenwirkungen (Schmerzmittel, Antibrechmittel, Herz-Kreislaufmedikamente usw.) mussten vorhanden sein.

Dies zeigt, dass diese Therapieform nur von einem erfahrenen und spezialisierten Therapeuten durchgeführt werden sollte.

Nach der Aufklärung wurde das Medikament in die Vene gespritzt. Nach ca. 15 Minuten begann das Medikament zu wirken, was sich in einem intensiven "Krankheitsgefühl" äußerte, das meist mit dem Fieberanstieg zusammenhängt. Diese Fieberphase klang dann nach vier bis acht Stunden wieder ab. Eine Wiederholung wurde erst nach vollständiger Erholung empfohlen (meist nach einer Woche).

Orale Mikobiologische Therapie

"Symbioselenkung"
Man nimmt die Präparate in der entsprechenden Dosierung ein.

Autovaccine

Autovaccine werden in der Regel intracutan (in die Haut) oder subcutan (unter die Haut) gespritzt. Seltener wird die percutane Anwendung (das Mittel wird auf die Haut eingerieben, die Stelle darf danach acht Stunden nicht gewaschen werden) angewandt.

Generell wird die Autovaccintherapie in steigender Dosierung durchgeführt, bei der die Dosissteigerung immer an die individuelle Reaktionslage angepasst werden sollte. Am vorsichtigsten muss man wiederum bei allergischen Menschen sein. Deshalb werden die Autovaccine in unterschiedlichen Stärken hergestellt, die dann, beginnend mit der höchsten Verdünnung, in ansteigenden Mengen und Dosierungen gespritzt werden.

Der Abstand zwischen zwei Injektionen sollte mindestens drei Tage betragen. Die beste Tageszeit für die Injektionen ist der Vormittag, da bei dieser Tageszeit die wenigsten unerwünschten Reaktionen auftreten (6). Ein so genanntes Anaphylaxiebesteck zur Beherrschung schwerer allergischer Komplikationen sollte vorhanden sein. Wünschenswert, insbesondere bei den ersten Injektionen und bei Beginn einer stärkeren Verdünnungsserie ist eine Nachbeobachtung von 15 Minuten nach der Injektion.

Die Behandlungsdauer sollte nicht unter sechs bis acht Wochen liegen. Die Maximalbehandlung wird bei ca. 30 Einzeldosen angesehen, aber auch längere Behandlungen wurden beschrieben.

Nebenwirkungen

Da das Zielorgan der Therapie das Immunsystem ist, kann es bei jeder immunologisch wirksamen Therapie zu entsprechenden Nebenwirkungen kommen.

Je nach Anwendungsform unterscheidet sich das Nebenwirkungsrisiko:

Fiebertherapie:

Das höchste Risikopotential hat bzw. hatte die Fiebertherapie, da sie durch den schnellen Fieberanstieg zu einer großen Kreislaufbelastung führt, die bei Herzkranken (auch bei leichter Herzschwäche) zu bedrohlichen Komplikationen führen kann. Todesfälle wurden beschrieben, was wohl zu dem Verbot dieser Therapieform geführt hat.

Häufige Nebenwirkungen waren Schüttelfrost mit den dazugehörigen Begleitsymptomatik, Kopfschmerzen, auch intensivster Art, Übelkeit mit z.T. massivem Erbrechen, Schlappheit auch noch Tage nach der Fiebertherapie, Muskelschmerzen.

Des Weiteren musste immer mit allergischen Komplikationen gerechnet werden, da das Medikament hoch allergen ist und gespritzt wird.

Autovaccine

Da Autovaccine in der Regel intra- oder subcutan gespritzt werden, gibt es sehr häufig an der Einstichstelle eine Hautreaktion. Sie verschwindet entweder sofort oder nach 10 Minuten (Sofortreaktion) oder 12 - 24 Stunden nach dem Einstich (Spätreaktion).

Allgemeine Nebenwirkungen sind:

"Grippales Gefühl", leichter Temperaturanstieg, Schmerzen und Schwere des gespritzten Armes, Gelenkschmerzen, Durchfall, Schnupfen. Außerdem sind Verschlechterung des behandelten Leidens im Sinne einer Erstverschlimmerung, der mit einer drastischen Dosisreduktion begegnet werden muss, beschrieben.

Kontraindikationen sind:

Allergie gegen das Konservierungsmittel in der der Injektionslösung, jede Form der Tuberkulose, schwere Leberzellen-Schäden, Kachexie (Auszehrung), Leukämie und Lymphogranulomatose (schwere Blutzellenkrankheiten). Lymphopenie (Verringerung der weißen Blutzellen) stellt eine relative Kontraindikation dar. (6)

Kindern unter sieben Jahren sollten mit dieser Behandlungsmethode nicht behandelt werden.

Normale Mikrobiologische Therapie zur Darmsanierung

Wenig bis keine Nebenwirkungen hat die normale Mikrobiologische Therapie zur Darmsanierung, bei der die Keime oder Keimbestandteile geschluckt werden. Hier treten in der Regel Verdauungsbeschwerden, und hier besonders Gasbildung (Meteorismus) mit den entsprechenden Folgesymptomen (Aufgetriebenheit, Blähungsabgang, Appetitlosigkeit, selten Durchfall oder Verstopfung) auf. Diese Nebenwirkungen reagieren in der Regel gut auf eine Dosisreduktion.

  • [1] Kolb, H.: Mikrobiologische Therapie – Arbeitsgrundlagen.
    Hg. v. Arbeitsgemeinschaft für Mikrobiologische Therapie im Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren e.V. Freudenstadt: 1990
  • [2] Kolb H.:Mikrobiologische Therapie.
    In: Lehrbuch der Naturheilverfahren. Hg. v.:
    K. C. Schimmel. Stuttgart: Hippokrates 1990
  • [3] Melchart, D.: Immunogene Umstimmungsverfahren im Überblick.
    In: Naturheilverfahren und Unkonventionelle Medizinische Richtungen.
    Hg. v. M. Bühring, F.H. Kemper. Berlin-Heidelberg: Springer 1997, 13. Auflage
  • [4] Hager E. D.: Fiebertherapie.
    In: Naturheilverfahren und Unkonventionelle Medizinische Richtungen.
    Hg. v. M. Bühring, F.H. Kemper. Berlin-Heidelberg: Springer 1997, 13. Auflage
  • [5] Sonnenborn, U., Greinwald, R.: Beziehungen zwischen Wirtsorganismus und Darmflora;
    Stuttgart-New York: Schattauer 1991
  • [6] Mikrobiologische Therapie - Informationsblatt Parenterale Vaccinen
    Institut für Mikroökologie. Herborn-Dill
ergänzt und kommentiert von:
Dr. med. Wolfgang Scheel, aus Steinheim an der Murr
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