Welt des Neugeborenen 

Neugeborenen als „wildes, heilloses Durcheinander“(William Jones). Die mütterliche Wahrnehmung, dass Kinder sofort nach der Geburt reagieren und Kontakt aufnehmen, wurde belächelt.

Ankommen in der neuen Welt

Heute weiß man: 

  • Neugeborene verfügen nicht einfach nur über ein zielloses Aktivitätsmuster, sondern sie verfügen vielmehr über verschiedene, deutlich voneinander abgrenzbare Bewusstseinszustände. 
  • Jeder Bewusstseinszustand setzt sich aus einem spezifischen Repertoire an Verhaltensmustern zusammen. 
  • Die Bewusstseinszustände lassen sich in sechs Phasen einteilen: 

Die Bewusstseinszustände

Der ruhige Schlaf: 

  • keine Bewegungen 
  • totale Entspannung und Erholung 
  • gleichmäßiger Atemrhythmus 
  • ruhiger Herzschlag 
  • das Gehirn ruht

Der aktive Schlaf: 

  • körperliche Bewegungen bis hin zum Fortbewegen 
  • rasche Augenbewegungen (REM) 
  • unregelmäßiger Atem 
  • Mimik, z. B. „Engelslächeln“ 
  • Kau- und Saugbewegungen 
  • Traumschlaf = Arbeitsphase 
  • gelegentliches Meckern und Unruhe ( ca. alle 30 Minuten) 

Der ruhige Wachzustand: 

  • Augen weit geöffnet 
  • aktive Teilnahme am Geschehen 
  • Konzentration auf Hören und Sehen 
  • evtl. Nachahmen von angebotener Mimik 
  • keine körperliche Bewegung, bis hin zu einer gewissen körperlichen Starre 
  • unmittelbar nach der Geburt über ca. 40 Minuten; 
  • in der 1. Lebenswoche ca. ein Zehntel von 24 Stunden

Der aktive Wachzustand: 

  • meist kurz vor dem Essen oder bei Aufregung 
  • lautieren 
  • Augen wandern 
  • Fixieren fällt schwer oder findet gar nicht statt 
  • rhythmische Bewegungsfolgen, auch recht heftig 
  • Signalwirkung auf Eltern mit dem Ziel, Verstärkung einer wechselnden Interaktion zwischen Eltern und Kind 

Das Schreien: 

  • Verständigungsmittel des Säuglings für Hunger und Unbehagen 
  • beruhigen durch Hochnehmen, Liebkosen, an die Schulter lehnen,  Lagewechsel etc. 
  • besonders das Aufnehmen in die Senkrechte löst u. U. einen kurzfristigen aktiven Wachzustand aus 

Die Schläfrigkeit: 

  • Übergangsstadium zwischen Schlafen und Wachen beim Aufwachen oder Einschlafen 
  • leichte Bewegungen (Lächeln, Stirnrunzeln, Lippenspitzen) 
  • Augen teilnahmslos, Lider schwer, Augen können noch nicht gehalten werden und drehen sich u. U. nach oben 

Sinneswahrnehmung

Der Bereich Sehen: 

Neben bevorzugten Formen, Farben und Mustern sind die Neugeborenen in erster Linie am menschlichen Gesicht interessiert. Dies dient nicht nur der Kontaktaufnahme, sondern vor allem der notwendigen intensiven Bindung zwischen Eltern und Kind. 
 
Die Natur hat es so eingerichtet, dass unsere Neugeborenen in den ersten zwei Stunden besonders ansprechbar und interessiert sind und dass sie im Blickkontakt weniger blinzeln, d.h. der Blickkontakt wird intensiviert, wir werden fixiert: Ein Urverhalten nonverbaler Kommunikation mit erhöhter Signalwirkung. 
 
Wir beantworten dieses Signal durch Aufsuchen eines Idealabstandes von ca. 25 Zentimetern (Stillabstand), da wir instinktiv wissen, dass unsere Kinder in den ersten Lebenswochen “kurzsichtig“ sind. 
 
Der hohen und angespannten Aufmerksamkeitsleistung des Neugeborenen folgt immer ein sich Abwenden, Wegdrehen und vielleicht sogar Erstarren (Stupor). Dies dient der Regeneration. Die Aufmerksamkeitsdauer ist individuell und kann bis zu ca. 10 Minuten anhalten. Sie ist von der inneren Bereitschaft des Kindes abhängig, dem sog. ruhigen Wachzustand. Die Bedeutung des intensiven Blickkontaktes liegt in der Möglichkeit der Kontaktaufnahme zwischen Eltern und Kind und wird durch die „Ammensprache“ begleitet. 

Der Bereich Hören:

Eltern verfallen instinktiv in eine höhere Stimmlage mit einem spezifischen Sprechgesang , die sog. Ammensprache d.h. nicht einzelne Begriffe werden verniedlicht, sondern Erwachsene passen sich instinktiv dem Entwicklungsstand des Kindes an und entwickeln ein Sprachverhalten mit Vorbild- und Nachahmungscharakter, das nationalitäten- und kulturübergreifend ist. 
 
Säuglinge haben eine deutliche Vorliebe für die höhere Stimmlage und bevorzugen daher in den ersten Lebenstagen, vielleicht auch –wochen die Mutterstimme, die ihnen zudem vertrauter ist, da sie diese schon aus dem Mutterleib heraus direkt wahrnehmen konnten. Die tiefere Vaterstimme ist schwingungsärmer und konnte den Fötus im Mutterleib nicht so gut erreichen. 
 
Neben dem singenden Auf und Ab der Ammensprache reagieren unsere Kinder von Anfang an besonders positiv auf kleine Lieder und sanfte Musik. Selbst in größter Aufregung und heftigstem Schreien kann dies zur Beruhigung und Entspannung des Säuglings beitragen. 

Der Bereich Bewegung:

Hier unterscheidet man bei den Neugeborenen ganz klar zwei Aspekte: 
Zum einen die Reflexe, u. a.: 
Der Suchreflex: Beim Überstreichen der Wange dreht der Säugling das Köpfchen zur Seite und öffnet den Mund auf der Suche nach Brustwarze oder Flasche. 
Der Greifreflex: Beim Berühren der Handinnenfläche schließt das Kind fest seine Finger. 
Weitere Reflexe, die auch beimErwachsenen erhalten geblieben sind, z. B.: 

  • Herzrhythmuserhöhung, z. B. bei Angst 
  • Niesen, Husten oder Würgen bei entsprechenden Reizen 
  • Gähnen bei Müdigkeit

Zum anderen bewusstes Greifen:

Im Allgemeinen beginnen Säuglinge erst im Alter von etwa vier Monaten zu greifen. Früher erklärten die Neurophysiologen die anfängliche Unfähigkeit zu Greifen, mit dem Fehlen einer isolierenden Hülle um jeden Nerv. 
Diese Theorie wurde widerlegt. 
Offensichtlich schlummert auch in Neugeborenen die Fähigkeit zu Greifen, wird jedoch durch einen hohen Muskeltonus im Hals-Nacken-Bereich behindert. Dieser hohe Tonus soll verhindern, dass der Kopf des Säuglings bei jeglichem Bewegen oder Anheben nach hinten fällt. Er verursacht jedoch gleichzeitig eine hohe Anspannung im Arm-Hand-Bereich, so dass es dem Neugeborenen ohne Lockerung (leichte Massage im Nackenbereich) unmöglich ist, ein Greifen umzusetzen. 
 
Wird der Hals-Nacken-Bereich jedoch sanft massiert, kann er sich entspannen und so war es in unterschiedlichen Untersuchungen möglich, anhand von differenziertem Filmmaterial zu beobachten, dass auch Neugeborene schon fähig sind, gezielt zu greifen. 

Der Bereich Nachahmung:

Neugeborene richten ihren Blick auf Augen und Mund des Erwachsenen, während sie sein Mienenspiel beobachten. Dann passen sie ihre eigene Augen- und Mundpartie dem Gesehenen an. 
 
Es ist nicht bekannt, wann Neugeborene die nachgeahmten Gefühle, die mit dem Mienenspiel beim Erwachsenen verbunden sind, auch empfinden. Wenn Babys jedoch älter werden, gleicht sich ihr Mienenspiel demjenigen der Familie beim Ausdruck wirklich empfundener Emotionen an; entsprechend kultureller Prägung. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn man an seinem Baby einen Gesichtsausdruck feststellt, der an einen selbst oder an ein Familienmitglied erinnert. 

Neugeborene ahmen sogar auf Anforderung nach, z.B.

  • das „Zunge-Herausstrecken“ 
  • das „Mund-Spitzen“ 
  • das weite „Mund-Öffnen“ 
  • das „Stirnrunzeln“ etc.

Bei der Nachahmung liegt die natürliche Bedeutung in der Anpassung, dem Aneinandergewöhnen, dem Angleichen und damit im Verbundensein mit dem anderen. 

Die elterliche Intuition

Die Natur hat einem Menschen alles mitgegeben, was er braucht, wenn er Kontakt mit einem Baby aufnehmen möchte. Selbst kleine Kinder verfügen schon über ein Repertoire im Umgang mit Neugeborenen. Je älter ein Mensch wird, umso deutlicher nimmt er dieses Repertoire in Anspruch. 
 
Ein deutliches Merkmal unserer natürlichen Intuition ist die

Ammensprache

  • verfallen in eine hohe Stimmlage 
  • rhythmischer, sich wiederholender Sprechgesang 
  • Nachahmung der Säuglingslaute und/oder Vorgabeeinzelner Laute.

Weitere Merkmale: 
Die Grußreaktion: 

  • Kopfnicken 
  • Anheben der Augenbrauen 
  • Lächeln

Das parallele Ausrichten:

  • entweder wird das Kind angehoben 
  • oder der Erwachsene neigt seinen Kopf in die entsprechende Position

Die Suche nach Blickkontakt:

  • vor dem Ansprechen 
  • Abwenden des Blickes signalisiert Müdigkeit, Desinteresse oder Überreizung 
  • Konzentration als Basis zur Kommunikation

Der Körperkontakt:

Berühren, Streicheln, Heben etc., um die Spannungsverhältnisse im kindlichen Körper zu „Begreifen“: 

  • Sucht das Kind Nähe durch Anschmiegen? 
  • Überstreckt es sich aus Müdigkeit, Überreizung? 
  • Will es gehalten sein? 
  • Hat es Hunger?

Das Beruhigen:

  • Reaktion auf Schreien 
  • hochheben 
  • rhythmisches Tragen oder Bewegen

Das Abtasten der Befindlichkeit des Säuglings: 
Nonverbale Kontaktaufnahme über die Händchen: 

  • Temperatur der Hände 
  • Feuchtigkeit der Handinnenflächen 
  • geballte oder entspannte Fäuste 
  • ansprechender Greifreflex oder Wegziehen

Das Suchen nach Rhythmus im Zusammensein:

  • Rhythmisierung der Nahrungsaufnahme 
  • Rhythmisierung der Schlaf-Wach-Zeiten

Eine ideale Mutter-Kind-Interaktion der ersten Lebenswochen beschreibt sich durch ein deutlich rhythmisches Füttern - Beruhigen - Zwiegespräch / Spiel - Windeln – Schlafenlegen. 

Autor/en dieses Beitrages:
, aus Stuttgart
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