Chronik eines gestörten Schlafs Erfahrungsbericht

Die Schlafforschung hat in den vergangenen Jahren nicht geschlafen – ich wenigstens manchmal. Zu wenig für meinen Geschmack aber auf jeden Fall und deswegen sind auch die Studien der Schlafforscher für mich kein unbekanntes Terrain. Im Grunde halte ich mich sogar für eines der deutschlandweit ...

Übersicht: Schlafstörung

Schlafforschung

Die Schlafforschung hat in den vergangenen Jahren nicht geschlafen – ich wenigstens manchmal. Zu wenig für meinen Geschmack aber auf jeden Fall und deswegen sind auch die Studien der Schlafforscher für mich kein unbekanntes Terrain. Im Grunde halte ich mich sogar für eines der deutschlandweit geeignetsten Forschungsobjekte, denn auch wenn mir bekannt ist, dass angeblich jeder zehnte Europäer unter Schlafproblemen leidet, so kenne ich zumindest persönlich niemanden, der sich beim Schlafen dermaßen verkämpft wie ich – und das immerhin seit gut 35 Jahren!  Womöglich bin ich ja noch aus Urzeiten ein wenig verwandt mit Haien, bei denen angeblich immer nur eine Hirnhälfte schläft ...

Keine Einschlafprobleme in der Kindheit

Allerdings kenne ich aus meiner Kindheit auch Zeiten, in denen ich geschlafen habe wie in Morpheus Armen üblich, prima also. Frisch und ausgeschlafen war ich bis zur Pubertät, die mir neben etlichen anderen Problemen und Problemchen eben auch ein zunehmendes Schlafdefizit beschert hat und das gewiss nicht nur, weil ab der Pubertät Partys immer wichtiger und immer ausufernder werden. „Der Schlaf ist wie eine Taube: Streckt man die Hand ruhig nach ihr aus, setzt sie sich drauf, greift man nach ihr, fliegt sie weg.“ (Paul Dubois, 1848 bis 1918). Heute ist mir längst klar, dass ich immer viel zu viel nach der Taube gegriffen habe, den Schlaf irgendwie erzwingen wollte, aber als Jugendliche hatte ich von Paul Dubois’ absolut richtiger Erkenntnis leider keine Ahnung. Und so wurde bei mir der Schlaf zunehmend zu einem schwierigen Fall. Vielleicht lag das auch daran, dass ich als Leseratte gern die Nacht zum Tag machte und oft erst mitten in der Nacht das Licht ausmachte. An meinem Bett kann es nicht gelegen haben, denn geschlafen habe ich auch später schlecht, ob auf Reisen im Ausland oder als Studentin, ob unter freiem Himmel im Zelt, in Jugendherbergen oder Hotelzimmern. Besser war da meist noch das eigene Bett oder zumindest eines, an das ich mich einige Tage oder Wochen gewöhnen durfte.

Schlaftabletten

Schlaftabletten habe ich mit etwa 20 Jahren zum ersten Mal versucht, allerdings derart (subjektiv) erfolglos, dass ich es wieder ließ. Mein Gefühl war: Wenn ich nicht schlafen kann, dann hilft nicht mal die chemische Keule. Im Studium konnte ich mit meinen Schlafproblemen relativ gut umgehen, weil ich einfach oft morgens Vorlesungen sausen ließ, wenn ich zu spät eingeschlafen war. So war der Druck unbedingt schlafen zu müssen, in dieser Zeit selten zu groß und mein Problem dadurch einigermaßen erträglich. Schlimmer war es meist auf irgendwelchen Freizeiten, auf Skihütten und im Urlaub.  Noch während des Studiums machte ich bei einer Ärztin einen Kurs im Autogenen Training. Leider half mir das damals gar nicht. Auch nicht der zweite Kurs an der Volkshochschule, den ich viele Jahre später machte, als ich gerade mein erstes Kind bekommen hatte.

Schlafprobleme als junge Mutter

Als dann zwei Jahre später das zweite Kind da war, wurden meine Schlafprobleme durch das nächtliche Aufstehen so schlimm, dass ich mir manchmal einen kleinen Unfall wünschte, der mich wenigstens so weit außer Gefecht setzten sollte, dass ich mich endlich mal im Krankenhaus von anderen betütteln und versorgen lassen konnte und mich nicht mehr so von allen Seiten ausgesaugt fühlen musste. Allein das Wissen, dass eins meiner Kinder sowieso jede Nacht schrie, etwas trinken oder sonst etwas wollte, ließen mich erst gar nicht einschlafen – ganz abgesehen von dem unglaublich leichten Schlaf, den man während dieser Kleinkinderzeit offenbar hat – wenn überhaupt. Nachts hatte ich Horror vor dem nächsten Tag, dem Stress mit den anstrengenden kleinen Kindern und meiner Arbeit, und tagsüber war ich überfordert, ungeduldig, am Ende mit den Nerven, überreizt und hatte Angst vor der nächsten Nacht. Und so weiter und so fort.

Chronik der Untersuchungen

Damals und auch schon zuvor hatte ich alles mögliche probiert: Ich hatte meine Schilddrüsenhormone abnehmen lassen, ich war abends so lange geschwommen, dass ich dachte, jetzt müsste ich aber halbtot im Bett liegen, ich macht Spaziergänge, las nur noch schöne Bücher und nie etwas Spannendes oder Aufregendes, ich probierte, ob es etwas brachte, wenn ich früher ins Bett ging oder lieber gleich später, da ich ja ohnehin (gefühlt) zu ganz schlimmen Zeiten gar nicht mehr schlafen konnte. Dabei habe ich alle Varianten des schlechten Schlafs kennen gelernt: Mal schlief ich schnell ein und war nach zwei Stunden wieder wach. Mal konnte ich nicht einschlafen und war erst kurz bevor der Wecker klingelte so entspannt („jetzt brauche ich nicht mehr einzuschlafen“), dass ich ein paar Minuten lang etwas träumte. Hatte ich wenigstens nur schlechte Nächte, war ich schon froh. Am schlimmsten aber waren jene, in denen ich gar nicht schlafen konnte – das war oft vor Tagen, in denen ich ganz besonders gut funktionieren sollte, weil etwa ein Sportturnier anstand oder andere wichtige Dinge. Sieben Stunden im Bett ohne Schlaf sind unglaublich lang und Schlafentzug, auch wenn daran kein Folterer schuld ist, ist trotzdem eine Folter. Letzten Endes, davon bin ich fest überzeugt, kann eine so schwere Schlaflosigkeit vor allem aus der Angst heraus entstehen schon wieder nicht schlafen zu können und ist im Grunde ein einfacher Teufelskreis. Was Dubois gesagt hat ist absolut richtig, allerdings wahnsinnig schwer umzusetzen.

Ein Gynäkologe untersuchte irgendwann auch meinen Hormonstatus, der aber relativ normal aussah. Er gab mir dennoch ergänzende Hormone. Die sorgten dafür, dass ich nachts permanent trinken und danach ständig aufs Klo rennen musste. Auch sonst hatten sie äußerst unangenehme Nebenwirkungen, ganz abgesehen davon, dass der „Spaß“ mich damals rund 1000 Mark kostete. Nach diesem Misserfolg versuchte ich es bei einem angeblich auf Schlafprobleme spezialisierten Arzt, der in einer Nervenheilklinik praktizierte. Also ab Richtung Psychiatrie. Der gute Mann vermutete das Restless-legs-Syndrom bei mir und auch wenn ich genau wusste, dass meine Beine nachts überhaupt nicht zucken und ich auch keinerlei Bedürfnis hatte, wegen angeblicher ruheloser Beine herumzulaufen, gab er mir einen Apparat mit, den ich an meinen Körper anschließen musste. Natürlich ergab sich überhaupt nichts, außer dass die recht unbequeme Apparatur dafür sorgte, dass ich besser schlief als sonst.

Gestörter Schlaf - eine Lösung

Vielleicht hatte ich bei all meinen über die Jahrzehnte (gar nicht so häufigen) verteilten Arztbesuchen auch immer den Fehler gemacht, mein Problem, schon allein um nicht in Tränen auszubrechen, selbst ein wenig herunterzuspielen. Doch als ich damals mit meinen kleinen Kindern das Gefühl hatte, jetzt könne ich wirklich gar nie mehr als ein paar Minuten schlafen, konnte es passieren, dass ich anfing zu heulen, wenn jemand mich nur ganz unbedarft fragte, wie es mir gehe. Endlich geriet ich zufällig an einen anderen Arzt, der der bislang erste und einzige war, der meine Probleme und das was ich ihm darüber erzählte, wirklich ernst zu nehmen schien. Er  überlegte fast eine Stunde lang mit mir, woran mein Schlafproblem liegen könnte, fragte nach elektrischen Geräten, der Beleuchtung im Zimmer, ob mein Mann schnarche, der Qualität der Matzratze und vieles mehr. Dann empfahl er mir einen Kurs im Autogenen Training bei seiner Frau, die auch Ärztin und Psychotherapeutin ist. Wenn man nicht mehr schlafen kann, gibt es Schlimmeres, als zum dritten Mal eine Technik zu üben, die einem die ersten beiden Male gar nicht geholfen hat, bzw. nur während des entspannenden Kurses selbst, wenn nämlich die Unterrichtenden derart einschläfernd ihr Mantra gesprochen hatten, dass ich dort jedes Mal total entspannt war.

Mein dritter Kurs im Autogenen Training unterschied sich in einem wichtigen Punkt von den ersten beiden. Bei dieser Technik sollten wir uns nicht nur die typischen Formeln wie „Arme und Hände strömend warm“ oder „“Es atmet in mir“ suggerieren, sondern dazu noch ein passendes Bild vorstellen. Bei den warmen Händen und Armen sah ich mich beispielsweise in der Badewanne liegen. Das klingt einfacher als es ist, denn natürlich hat unser Hirn, zumindest meines, einen starken Drang, „Wichtigeres“ zu denken. „Ich darf nicht vergessen, den Hautarzt anzurufen, die Projekttage für die Schule vorzubereiten, die Mutter eines Geburtstagskindes wegen des gewünschten Geschenks anzurufen und eine saure Sahne für den Spinatkuchen muss ich auch unbedingt noch kaufen....“ Ständig muss man seine Gedanken freundlich verscheuchen. Das kann man mit einem eingeschobenen „Die Gedanken kommen und gehen, sie stören mich nicht“ tun.  Krampfhaftes Entspannen könne nicht funktionieren, schärfte uns die Ärztin immer wieder ein. Auch wenn wir den Faden in unseren Übungen verloren, mache das nichts, man mache einfach da weiter, wo man wegen anderer Gedanken aufgehört habe zu üben.

Ich kann es nicht anders ausdrücken: Der Kurs hat bei mir eingeschlagen wie eine Bombe, allerdings eine positive. Nach den ersten Stunden des Kurses war ich mit meiner Familie zwei Wochen im Urlaub am Gardasee. Früher hätte das ziemlich sicher bedeutet, dass ich zumindest die ersten Nächte vergessen konnte und die nächsten auch nur dann gut sein konnten, wenn alle Bedingungen stimmten (gute Matratze, Ruhe...).  Dieses Mal war alles anders. Ich übte brav jeden Nachmittag während meine Kinder am Pool Eidechsen jagten oder – unter Aufsicht ihres Vater - anderen Unsinn anstellten. Und abends, vor dem Einschlafen, übte ich ein zweites Mal und kam nie wirklich weit mit meinen Übungen, sondern verschlief sie einfach. Auch nach dem Urlaub und nach dem Ende des Kurses übte ich brav weiter – solange bis ich dachte, ich hätte jetzt ja meine Schlafprobleme im Griff und brauche nicht mehr zu üben.

Das war ein Fehler. Nach und nach schlichen sich wieder schlechte Nächte ein, auch solche, in denen ich gar nicht schlafen konnte, aber alles war noch in einem erträglichen Rahmen – bis ich unverhofft beruflich so stark eingespannt war und zum Teil auch in für mich unglaublich stressigen Arbeitsverhältnissen, dass ich auf einem Schlag überhaupt keine guten Nächte mehr hatte und schon froh war, wenn ich abschätzen konnte, etwa vier Stunden geschlafen zu haben. Auch im Urlaub ging nichts, oft schlief ich erst gegen Morgen ein, wenn sich im Kopf das Gefühl breit gemacht hatte, jetzt habe das Einschlafen ohnehin keinen Sinn mehr. Leider verlernt man das Autogene Training durchaus wieder, und, was noch viel schwerer wiegt, war zumindest in meinem Fall, dass ich den Glauben ans Autogene Training verloren hatte. Es half nicht mehr wie vor Jahren, wenngleich ich es nach wie vor weiter betreibe. Was ich dieses Mal allerdings gelernt habe, ist mehr auf mich und meine Arbeitstage zu achten. Man kann nicht sieben Tage die Woche von morgens bis spät Abends arbeiten, ich jedenfalls kann das nicht mehr und will es auch nicht. Seitdem ich mein Arbeitspensum reduziert habe, bei Anfragen wegen ehrenamtlicher Arbeit auch mal Nein sage und darauf achte, gemeinsam mit meiner Familie wenigstens alle drei Wochen ein (erwerbs)arbeitsfreies Wochenende zu haben, geht es mit dem Schlafen wieder gut. So gut, dass ich manchmal schon wieder das Autogene Training vergesse...

Protokoll aufgezeichnet von Barbara Bross-Winkler

Protokoll aufgezeichnet von Barbara Bross-Winkler, Online-Redaktion Naturheilmagazin

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